Die großen Städte Europas stehen vor vielen Herausforderungen. Sie sollen lebenswert, ökologisch und familienfreundlich sein, gleichzeitig aber auch für Arbeitsplätze sorgen und möglichst kapitalkräftige Industrien und Konzerne ansiedeln. Viele Metropolen suchen noch nach geeigneten Lösungen. Paris diskutiert derzeit eine radikale Lösung. Amsterdam hat derweil die Grundlagen dafür bereits geschaffen.
Parks statt Parkplätze – das ist mehr als eine Idee in Paris. In der französischen Hauptstadt hat man sich viel vorgenommen: Ab 2025 darf in der Innenstadt kein Dieselfahrzeug mehr fahren; bis 2030 sollen alle Autos verbannt werden. Man stelle sich die Champs-Élysées ohne Autoverkehr vor! Bürgermeisterin Anne Hidalgo möchte die Pariser Innenstadt komplett umgestalten, so dass alle wichtigen Anlaufstellen für die Bürger innerhalb von rund 15 Minuten erreichbar sind. Straßen sollen nur noch für Fußgänger und Fahrradfahrer Platz bieten und die Innenstadt möglichst autofrei werden. Konkret will Hidalgo dafür 72 Prozent der Parkplätze entfernen – das wären 60.000. An ihrer Stelle sollen Grünflächen entstehen, Gemüsebeete und Spielplätze. Nicht nur die Luftverschmutzung würde hierbei immens minimiert werden, auch die Lebensqualität der Einwohner würde sich erheblich verbessern, so das Kalkül. Die Pariser scheinen diesen Weg mitgehen zu wollen. Immerhin haben sie Hidalgo im Sommer mit fast 50 Prozent der Stimmen bei der Wiederwahl als Bürgermeisterin bestätigt.
Viele europäische Metropolen stellen zurzeit die Weichen für ein anderes Leben in der Stadt. Ein gutes Beispiel, wie man aus der Vergangenheit lernen und eine Großstadt so umbauen kann, dass sie trotz steigender Einwohnerzahlen lebenswert bleibt oder wieder wird, ist Amsterdam. Die Hauptstadt der Niederlande zählt rund 820.000 Einwohner; den Großraum dazu gerechnet, kommt man auf 2,4 Millionen. Und wie die meisten europäischen Metropolen wächst die Bevölkerung weiter – konkret um rund 11.000 Einwohner und 5.000 Wohnungen pro Jahr. Von 2018 bis 2040 wird ein Bevölkerungszuwachs von 23 Prozent erwartet. Somit stellt sich auch hier die Frage: Wie und wo wollen die Menschen künftig leben, wohnen und arbeiten?
Die Radfahrer-Stadt hat verkehrstechnisch schon lange eine Antwort. Tatsächlich ist das Fahrrad mit mehr als einem Drittel aller zurückgelegten Wege das meistgenutzte Verkehrsmittel in der niederländischen Metropole und natürlich das ökologischste. Beispielsweise passieren die Haarlemmerstraat, die Geschäftsstraße vom Bahnhofsviertel in den Westen der Stadt, täglich rund 20.000 Räder. Auch dank des mehr als 50 Kilometer langen Streckennetzes der Metro und der gut 200 Kilometer langen Strecken der Straßenbahn ist man schnell unterwegs. Die Pendelzeit zum Arbeitsplatz beträgt im Durchschnitt nur 30 Minuten. Das bringt den Amsterdamern eine Spitzenbewertung im internationalen Vergleich ein. Denn in vielen anderen vergleichbar großen Metropolen sind die Pendler viel länger unterwegs.
Dass dies in der Grachtenstadt nicht der Fall ist, liegt auch daran, dass man das Erbe schlechter Entscheidungen bei der Büro-Standortentwicklung zu etwas Positivem verkehrt hat. In keiner anderen europäischen Metropole konnte ein Wandel vom Standort mit problematischen Stadtbezirken zu einem attraktiven Standort für in- und ausländische Unternehmen und zu einer der 25 Städte mit der höchsten Lebensqualität (Studie Mercer 2019, Amsterdam auf Rang elf weltweit) umgesetzt werden. Dazu muss man wissen: 1999 lag die Büro-Leerstandsrate bei zwei Prozent und stieg auf knapp 21 Prozent im Jahr 2005, die damals höchste Leerstandsrate in Europa. Immobilieninvestoren kämpften gegen fallende Preise und vielerorts leere Flächen an. Ganze Teilmärkte, die meist in Stadtrandgebieten lagen, verwandelten sich in „tote“ Gewerbegebiete. Damals reagierte die Stadtverwaltung mit Restriktionen und stoppte faktisch neue Büroentwicklungen. Stattdessen wurden seit 2011 Bürogebäude konsequent umgenutzt und monofunktionale Stadtareale in kombinierte Lebens- und Arbeitsviertel verwandelt.
Der Südosten (Zuidoost) Amsterdams ist so ein ehemals monofunktional genutzter Back-Office-Standort mit vielen Mietern aus dem Finanzsektor. Dank zahlreicher Umnutzungen konnte der Leerstand signifikant gesenkt werden. Heutige Nutzer sind ING, ABN Amro, Deutsche Bank, Nuon, Stryker, Adidas oder Huawei. Um neue städtische Zentren zu schaffen, werden neben zahlreichen Büro-, Einzelhandels- und Wohnflächen auch Restaurants, Grünanlagen und Sportplätze gebaut.
In der gesamten Stadt wird heute sehr darauf geachtet, dass die entstehenden Quartiere gemischte Nutzungen umfassen und verkehrstechnisch gut angebunden sind. Neben weiteren Entwicklungsgebieten gibt es neue Wohn- und Gewerbeentwicklungen auch innerhalb bestehender Business Parks und Bürogebiete. Ziel ist es, attraktive Lebensräume mit kurzen Wegen und guter Infrastruktur bereitzustellen. Das ist auch für die großen niederländischen und internationalen Firmen und Einrichtungen wichtig, die qualifiziertes Personal anwerben wollen. Mit Marken wie Heineken, Philips, ABN Amro, Cisco Systems oder der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) und einem Büroflächenbestand von fast sechs Millionen Quadratmetern spielt Amsterdam mit in der Liga der wichtigsten Büromärkte im Euroraum.
Die Real I.S. ist seit vielen Jahren mit einer eigenen Niederlassung in Amsterdam vertreten, weil wir das Entwicklungspotenzial der Niederlande stets vor Augen hatten. Inzwischen ist unser Portfolio so angewachsen, dass das Nachbarland zu unseren Investitionsschwerpunkten in Europa gehört. Wir sind davon überzeugt, dass allein die hohe Lebensqualität, die zahlreichen Entwicklungsareale und das enorme Potenzial von Amsterdam die Stadtstruktur in den kommenden zehn bis 15 Jahren weiter verbessern wird. Das wird sich auch für Immobilieninvestitionen auszahlen. Die ersten Ansätze kann man im Bereich der Büroimmobilien schon seit 2017 beobachten: Seit dem ist die Leerstandsrate wieder einstellig und es konnten die ehemaligen Höchstmieten des Jahres 2001 von 340 Euro Jahresmiete pro Quadratmeter wieder erreicht und überschritten werden. Heutzutage werden in der Spitze schon 445 Euro gezahlt – 31 Prozent mehr als vor fast 20 Jahren.