Wohnen müssen Menschen immer. Allein das rechtfertigt eine Investition in Wohnimmobilien. Lange Zeit galten sie aus Sicht professioneller Investoren indes als langweilige und arbeitsintensive Geldanlage, die noch dazu zu wenig Rendite erwirtschaftete. Diese Ansicht hat sich inzwischen – in der schon sehr lang anhaltenden Phase von Niedrigzinsen – geändert. Längst haben sich Wohnimmobilien als attraktive, stabile und sichere Wertanlage entpuppt. Corona hat diese Einschätzung sogar noch gestärkt. Denn die aktuelle Krise offenbart, wie hoch der Stellenwert der eigenen vier Wände für Mieter ist. Eine Rückzugsmöglichkeit zu haben, in der man sich vor gefährlichen Viren schützen kann, ist existenziell geworden. Dass die Wohnung auch zum Lebensmittelpunkt werden kann, haben die meisten Menschen erst im vergangenen Jahr erfahren – und entsprechend ihr Zuhause verschönert oder sogar modernisiert.
Die Erfahrungen der Corona-Zeit, die uns vermutlich noch länger beschäftigen wird, hat aber auch gezeigt, dass die Menschen besser vorbereitet sein wollen auf mögliche künftige Pandemien. Dabei fokussieren sie sich sowohl auf die Größe der Wohnung als auch auf die Möglichkeit, frische Luft tanken zu können, ohne das Zuhause verlassen zu müssen. Einer aktuellen Umfrage des Immobilienportals DeinNeuesZuhause.de unter 1.000 Befragten zufolge stehen daher Garten, Balkon und schnelle Internetleitungen ganz oben auf der Agenda bei künftiger Wohnungssuche. So ist für 56 Prozent der Studienteilnehmer ein Rückzugsort im Freien „sehr wichtig“ bei der Suche nach einer neuen Wohnung. Garten oder Balkon rangieren weit vorne bei den wichtigsten Suchkriterien. Knapp dahinter folgt der Wunsch nach guten Einkaufmöglichkeiten, ärztlicher Versorgung und ausreichendem Angebot an Kitas sowie Schulen (54 %). Kaum weniger wichtig ist den Menschen bei der Wahl eines Wohnobjekts ein leistungsstarkes Netz. Für 52 Prozent der Befragten ist schnelles Internet sogar wichtiger als die Größe der Wohnung. Auch eine Konsequenz aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie: ohne entsprechende Infrastruktur können Kinder nicht von Zuhause aus unterrichtet werden und man selbst seine Arbeit nicht ins Homeoffice verlegen.
Gerade das aber erweist sich zurzeit als probates Mittel, sich und andere zu schützen und soll zumindest tageweise auch nach Abklingen der Pandemie weiterhin praktiziert werden. So haben sich jüngst 90 Prozent der Büroangestellten in Deutschland dafür ausgesprochen, mindestens einen Tag pro Woche von Zuhause aus zu arbeiten, hat eine repräsentative Umfrage von Civey im Auftrag von EY Real Estate unter rund 1.000 Arbeitnehmern ergeben. Rund die Hälfte der Büroarbeiter möchte demnach auch mehrmals wöchentlich von Zuhause aus tätig werden und 14 Prozent sogar ständig.
Das stellt auch die Wohnungswirtschaft vor neue Herausforderungen. Denn künftig werden mehr Mieter Wohnungen mit einem zusätzlichen Arbeitszimmer suchen. Zwar wird nach wie vor die Höhe der Mietkosten darüber entscheiden, ob man das realisieren kann oder nicht. Aber grundsätzlich müssten solche Angebote geschaffen werden. Keine leichte Aufgabe vor dem Hintergrund steigender Bau- und Grundstückskosten – vor allem in den Ballungsräumen, wo Wohnungen immer noch ein knappes und daher begehrtes Gut sind, wie das hohe Mietniveau zeigt.
Seit Jahren steigen die Mieten in den Metropolen und ihren Speckgürteln. Daran hat auch COVID-19 nichts geändert. Allein im ersten Halbjahr 2020 haben die Angebotsmieten in den Metropolen im Mittel um fünf Prozent angezogen. Die Angebotsmietpreise in Düsseldorf stiegen laut JLL im ersten Halbjahr 2020 um insgesamt 5,3 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert auf ein Niveau von 11,90 Euro pro Quadratmeter. Damit hat sich die Mietpreisentwicklung nicht nur im Vergleich zur Vorjahrjahresentwicklung (+1,3 %) deutlich beschleunigt, sondern liegt auch über der mittleren Fünfjahresentwicklung (+3,5 % p.a.). Gegenüber dem Vorjahreszeitraum haben sich die mittleren Angebotsmieten in Frankfurt um etwa 4,3 Prozent auf ein Niveau von rund 15,70 Euro pro Quadratmeter erhöht. Damit liegen die Mietpreise ungefähr auf dem Niveau der mittleren Fünfjahresentwicklung (+ 4,5 % p.a.). Auf das Jahr gerechnet, sind sie um 3,4 Prozent gestiegen. Das Wohnen in München hat sich in den ersten sechs Monaten 2020 um 5,7 Prozent verteuert. Das mittlere Mietpreisniveau liegt bei 20,55 Euro pro Quadratmeter. Noch teurer wurde es mit einem Plus von 5,8 Prozent Mietzuwachs in Stuttgart: Im Mittel zahlt man 15,40 Euro pro Quadratmeter. Weil der Zuzug jünger Leute in die Stadt dauerhaft anhält, ist vor allem die große Nachfrage nach kleinen Wohneinheiten mit weniger als 45 Quadratmeter enorm gestiegen und hat binnen sechs Monaten zu einem ordentlichen Preisanstieg von 15,5 Prozent geführt. Im Mittel werden rund 22 Euro pro Quadratmeter gezahlt.
Dass die Steigerungen nicht noch höher ausgefallen sind, führen Marktbeobachter wie JLL darauf zurück, dass in Corona-Zeiten weniger Menschen zugezogen oder innerhalb der Städte umgezogen sind. Daher war der Druck auf die Wohnungsmärkte in den begehrten Metropolen nicht ganz so groß wie in den Vorjahren. Das dürfte sich aber im Laufe des Jahres und spätestens im kommenden Jahr wieder ändern – sobald eine weitgehend geimpfte Bevölkerung wieder ihr gewohntes Leben aufnehmen kann. Dazu gehören auch der Umzug in eine andere Wohnung oder eine Neuorientierung in eine andere Stadt, wenn es dort einen attraktives Jobangebot gibt.
Spätestens dann tritt das bundesweite Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage wieder zutage. Denn von den angestrebten 1,5 Millionen Wohnungen, die nach Planungen der Bundesregierung bis Ende der Legislaturperiode im September gebaut werden sollten, ist man weit entfernt. Dafür hätte man jährlich mehr als 375.000 Wohnungen bauen müssen. Tatsächlich waren es aber beispielsweise 2017 und 2018 laut Statistischem Bundesamt jeweils nur etwas mehr als 285.000 fertig gestellte Wohnungen. Zwar lag die Zahl 2019 mit 293.000 Wohneinheiten schon deutlich höher, aber dafür gehen Fachleute für das vergangene Jahr von einem erheblichen Einbruch aus, weil Corona auch für Lieferengpässe bei Baumaterial, fehlende Ersatzteile für Baumaschinen und ferngebliebene Arbeitskräfte gesorgt haben dürfte.
Dazu kommt, dass der Baustau schon seit vielen Jahren anhält: die Zahl der genehmigten, aber noch nicht fertiggestellten Wohnungen hat sich laut Statistischem Bundesamt allein zwischen den Jahren 2008 und 2018 von 320.000 auf fast 700.000 erhöht. Rechnet man durch die Pandemie bedingte Bauausfälle hinzu, kommt man über die Jahre gerechnet auf eine noch viel höhere Zahl. Wohnungsbauexperten sprechen von einer Million fehlenden Wohneinheiten. Entsprechend bleiben Wohnungen – vor allem in den Zuzugsregionen – weiterhin Mangelware. Und Bestandswohnungen sowie Neubauten legen an Wert zu.
Deshalb ist es auch nicht vermessen, davon auszugehen, dass das Anlagesegment Wohnimmobilien nicht nur gut durch die Krise kommen wird, sondern sogar noch stärker aus ihr hervorgehen könnte. Risikoaverse Investoren wie Versicherungen oder Pensionsfonds, die die Einlagen ihrer Anleger mit Vorsicht vermehren sollen, werden ihre Anteile an Wohnimmobilien weiter erhöhen, ebenso wie institutionelle Anlageprofis, denen es nach wie vor an Anlagealternative mangelt, solange die Zentralbanken an ihrer Niedrigzinspolitik festhalten. Und das scheint noch für längere Zeit der Fall zu sein.