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»Attraktive Chancen in der aktuellen Marktsituation sondieren.«

Luca Gudewill

Director Research & Investitionsstrategie der Real I.S. AG

Immobilieninvestoren stehen noch immer vor großen Herausforderungen und vor einem völlig veränderten Kapitalmarktumfeld. Die langfristigen Zinsen sind seit 2021 so stark gestiegen wie seit 30 Jahren nicht mehr – um 320 Basispunkte von -0,5 Prozent auf aktuell 2,7 Prozent. Das verteuert die Finanzierung von Immobilien erheblich, was sich entsprechend auf die Renditeerwartungen auswirkt. Damit verringert sich auch der Renditeaufschlag bzw. die Risikoprämie von Immobilien gegenüber risikolosen Staatsanleihen deutlich. Die Preisfindungsphase am Immobilienmarkt ist noch nicht abgeschlossen und die Marktteilnehmer – Investoren und Finanzierer – agieren weiterhin zurückhaltend.

Auch wenn wir eine Stabilisierung des Preisniveaus nicht vor 2024 erwarten, sollten sich Immobilieninvestoren rechtzeitig positionieren. Denn der Preisrückgang kann wiederum attraktive Marktchancen und höhere Renditepotenziale eröffnen – vorausgesetzt, man achtet auf die Fundamentaldaten der Immobilien und konzentriert sich auf Nutzungsarten mit stabiler Nachfrage. Fest steht: Derartige Marktchancen für Immobilieninvestoren haben sich historisch betrachtet nur sehr selten ergeben – zuletzt im Zuge der Finanzmarktkrise 2008/2009, also vor 15 Jahren.

Differenzierte Entwicklung der Nutzungsarten und Anfangsrenditen

Um attraktive Potenziale zu erkennen, muss der Markt sorgfältig sondiert werden. Denn je nach Nutzungsart zeichnen sich unterschiedliche Dynamiken ab. Ein Blick auf die Anfangsrenditen zu Beginn des Jahres 2022, also noch vor der Zinserhöhungswelle, im Vergleich zu den aktuellen Daten des zweiten Quartals 2023 zeigt, dass insbesondere der europäische Logistiksektor einen kräftigen Renditeanstieg von 120 Basispunkten zu verzeichnen hat. Nach Angaben des Maklerhauses Jones Lang LaSalle liegen die Nettoanfangsrenditen nun im Durchschnitt bei rund 4,6 Prozent gegenüber 3,4 Prozent zu Beginn des Jahres 2022. Auch die Segmente Büro und Wohnen können europaweit einen deutlichen Anstieg der Nettoanfangsrenditen verbuchen.

Fokus auf solide Vermietungsmärkte mit stabiler Flächennachfrage

Für die mittelfristige Performance eines Immobilieninvestments spielt die Entwicklung der Vermietungsmärkte und damit der Marktmieten eine entscheidende Rolle – denn gerade steigende Mieten stützen den Cashflow und tragen zur Stabilität bei der Wertentwicklung der Portfolios bei. Gute Aussichten für die weitere Entwicklung des Vermietungsmarkts bieten vor allem Länder mit einem soliden Wirtschaftswachstum – als Treiber der Flächennachfrage. Insbesondere Irland, Spanien, Portugal, Luxemburg und Belgien sind gute Beispiele mit positiven Prognosen für das reale BIP-Wachstum in den Jahren 2023 und 2024 (im Durchschnitt). Um die Entwicklung der Vermietungsmärkte realistisch einschätzen zu können, müssen aber auch nutzungsartenspezifische Faktoren berücksichtigt werden. Denn es bestehen erhebliche Unterschiede der fundamentalen Situation der verschiedenen Assetklassen.

Energieeffiziente Büroimmobilien in zentralen Lagen bleiben gefragt

Der Markt für Büroimmobilien differenziert sich stark aus. Der Standort und die Qualität der Immobilie werden immer wichtiger. Auch die Flexibilität der Büroflächen und die Energieeffizienz des Gebäudes sind maßgebliche Entscheidungskriterien für Mietinteressenten. Die konjunkturelle Schwäche und das vermehrte Arbeiten im Homeoffice haben zwar insgesamt zu einem Rückgang der Flächennachfrage sowie zu steigenden Leerstandsraten und einer Verlangsamung des Mietwachstums geführt. Dennoch befinden sich die Leerstandsquoten nach wie vor auf einem historisch niedrigen Niveau. Für die Vermietbarkeit von Flächen spielt die Lage eine zunehmende Rolle, um eine attraktive Alternative zum Homeoffice zu bieten. Bevorzugt werden innerstädtische Flächen mit guter ÖPNV-Anbindung und ausreichenden Nahversorgungs- und Einkaufsmöglichkeiten im Umfeld. Es ist davon auszugehen, dass sich die Mietpreise von Büroflächen in zentralen und peripheren Lagen zukünftig noch weiter auseinanderentwickeln werden.

Dass moderne Büroflächen in zentraler Lage trotz des angespannten Marktumfelds gefragt sind, zeigen auch unsere weiteren Vermietungserfolge – zum Beispiel in den Münchener Büroimmobilien „be blue“ und „be green“ mit der Vermietung von rund 22.000 Quadratmetern an CARIAD, das Software-Unternehmen des Volkswagen-Konzerns. Weitere Beispiele sind Vermietungen in dem Objekt „Anthémis“ in Lyon, Frankreich, in den „Zuiderhof Pavilions“ im niederländischen Amsterdam und im „EINS“ in Bremen, Deutschland.

Logistikimmobilienmarkt mit stabilem Mietwachstum

Der Markt für Logistikimmobilien bleibt für Immobilieninvestoren angesichts niedriger Leerstandsquoten und eines anhaltenden Mietpreiswachstums attraktiv. Allerdings ist auch im Logistikbereich eine gewisse Normalisierung zu verzeichnen sowie ein Rückgang des Nachfrageüberhangs aufgrund des sinkenden Flächenbedarfs der großen Online-Händler wie Amazon und Zalando.

Potenziale auch in anderen Segmenten vorhanden

Für Immobilieninvestoren kann sich durchaus der Blick auf weitere Nutzungsarten lohnen. Dazu gehören beispielsweise Stadthotels in Europa, von denen viele wieder hochprofitabel sind. Denn sowohl der Tourismus als auch die Geschäftsreisen haben wieder deutlich zugenommen. Die Übernachtungszahlen haben sich schneller erholt als erwartet, in vielen Städten liegt die Hotelauslastung wieder auf Vor-Corona-Niveau. Die hohe Nachfrage hat zu einem Anstieg der Zimmerpreise geführt, sodass die Hotellerie für Immobilieninvestoren wieder sehr interessant ist. Auch wir wollen das Potenzial in diesem Segment nutzen, mit einem Hotel-Spezialfonds und dem Fokus auf Geschäfts- und Ferienhotels in ausgewählten Regionen.

Der Wohnimmobilienmarkt bietet ebenfalls weiterhin Investitionschancen. Die Nachfrage nach Wohnraum wird durch die anhaltend niedrigen Arbeitslosenquoten im Euroraum gestützt. Aufgrund des Fachkräftemangels bauen viele Unternehmen trotz der schwachen Konjunktur ihre Belegschaften nicht ab. Gleichzeitig wird das Angebotsdefizit immer größer und die gestiegenen Finanzierungskosten für Wohneigentum sorgen wiederum für eine verstärkte Nachfrage im Mietwohnungsbereich. Neben dem klassischen Wohnen weisen auch hybride Wohnformen wie studentisches Wohnen, Mikrowohnkonzepte und betreutes Wohnen eine hohe Auslastung auf und bieten damit Stabilität. Ein großes Potenzial hat zudem der Wohnimmobilienmarkt in Irland. Wir wollen dort unser Engagement mit unserem Fonds „Real I.S. Ireland Residential Fund“ weiter ausbauen und haben dafür bereits eine Niederlassung in der irischen Hauptstadt Dublin eröffnet. Aktuell gehören neun Objekte im Großraum Dublin sowie zwei in Cork mit einem Investmentvolumen von insgesamt ca. 600 Millionen Euro zu unserem Bestand.

Darüber hinaus können auch ausgewählte Handelsimmobilien für Investoren interessant sein. Einkaufszentren und Geschäfte in den Haupteinkaufsstraßen verzeichnen eine anhaltende Belebung der Besucherfrequenz. Allerdings sind die Umsätze insgesamt noch schwach, sodass es weiterhin zu Geschäftsaufgaben kommt und die Mieten unter Abwärtsdruck bleiben. Daneben bieten Fachmarktzentren sowie lebensmittelgeankerte Geschäfte attraktive Investmentmöglichkeiten.  

Fazit

Die Marktkorrektur infolge des Zinsanstiegs könnte noch einige Zeit andauern. Anleger sollten den Markt aber bereits jetzt aufmerksam beobachten. Wenn die Preiskorrektur voraussichtlich im Jahr 2024 zum Stillstand kommt, könnten sich attraktive Wiedereinstiegsmöglichkeiten mit höheren Anfangsrenditen ergeben. Um echte Renditechancen auf dem Investmentmarkt zu erkennen, ist jedoch Weitblick gefragt. Auch die Stabilität der Vermietungsmärkte sollte nicht außer Acht gelassen werden.

Derzeit bieten Länder wie Irland, Spanien, Portugal, Luxemburg und Belgien einen attraktiven Rendite-Risiko-Mix als Ergänzung zu den etablierten Märkten in Deutschland und Frankreich. Hinsichtlich der Nutzungsarten zeigen insbesondere Logistik, Wohnen und Hotel eine hohe Nachfragestabilität und ein stabiles Mietwachstum. Im Bürosegment erweisen sich energieeffiziente Gebäude in zentraler Lage als besonders attraktiv.