In Kürze:
• Die MSCI-Daten aus dem Jahr 2023 für die Darstellung des Immobilienmarktpreisrisikos werden zur Jahresmitte in den Fondsberichten aktualisiert.
• Der Zinsanstieg bewirkte in den meisten Marktsegmenten Wertrückgänge im Jahr 2023. Dementsprechend werden die meisten Immobilienfonds eine Erhöhung der Marktpreisrisiken ausweisen.
• Länder: Die höchsten Wertrückgänge zeigen Immobilien in den USA mit knapp 11 %. Deutschland und die Eurozone insgesamt liegen bei etwa 8 %.
• Nutzungsarten: Die Werte von Wohnimmobilien, Logistikzentren und Handelsimmobilien gaben in der Eurozone und in Deutschland zwischen 5 % und 7 % nach, Büroimmobilien haben um etwa 11 % abgewertet. Hotels in touristischen Destinationen hatten zum Teil Wertzuwächse.
• Diversifikation: Es gibt große Unterschiede in der Risikoausprägung verschiedener Marktsegmente. Ein ausgewogenes Portfolio hilft also Risiken zu begrenzen.
Der Zinsanstieg, der im Wesentlichen im Jahr 2022 stattfand, hatte sich bislang mit Daten des Jahres 2022 nur wenig auf die Wertänderungsrenditen ausgewirkt. In der gesamten Eurozone wurde für das Jahr 2022 über alle Nutzungsarten lediglich ein Wertrückgang von rd. 1,5 % registriert. Bei den meisten Immobilienfonds hatte dies wenig Auswirkungen auf die Risikokennzahlen.
Die Wertänderungen von Immobilien reagieren mit einem Zeitverzug auf Ereignisse von außen. Zum einen dauern Immobilientransaktionen nicht selten mehrere Monate an, zum anderen werden bei den Immobilienfonds und den Wertänderungsdaten Gutachterwerte verwendet. Diese glätten verfahrensbedingt die Preisentwicklung. Jetzt liegen die Daten des Jahres 2023 vor. Sie zeigen die zeitversetzte Reaktion auf den Zinsanstieg.
Deep Dive: Die Messung des Immobilienmarktrisikos mit dem Property-Return-Modell
Das Property-Return-Modell ist ein anerkannter Ansatz zur Messung von Immobilienmarktpreisrisiken oder zur Plausibilisierung von anderen Methoden zur Messung des Immobilienmarktpreisrisikos bei institutionellen Immobilienfonds. Das Verfahren basiert auf historischen Performance-Zeitreihen des Dienstleisters MSCI. Anhand dieser Daten können im Rückblick Wertänderungen und Total Returns ausgewertet werden. Für die Risikomessung werden die Datenreihen nach Ländern und Nutzungsarten so gewichtet, dass sie der Allokation des Fonds entsprechen. Die Zeitreihen werden jährlich aktualisiert und beginnen im Jahr 2001, umfassen also aktuell 23 Jahre. Aus den Zeitreihen werden verschiedene Kennzahlen berechnet z.B. das 1 %-Quantil der Wertänderungsrendite oder der Value-at-Risk mit Konfidenzniveau 95 % (VaR 95 % empirisch). Das 1 %-Quantil der Wertänderungsrendite sagt – lapidar formuliert – aus, wie groß das 1 % der stärksten Wertrückgänge innerhalb der Zeitreihe ist.
Breite Marktkorrektur im Jahr 2023
Regionen und Länder: In fast allen 19 betrachteten Ländern¹ traten im Jahr 2023 Wertrückgänge auf. Einzige Ausnahme war Portugal mit einem Wertzuwachs über alle Nutzungsarten von 1,2 %. Abbildung 1 zeigt einen Überblick über die Wertentwicklung der Immobilien in 2023 nach Ländern bzw. Regionen. Die höchsten Wertrückgänge zeigen Immobilien in den USA mit knapp 11 %. Deutschland und die Eurozone insgesamt liegen bei etwa 8 %.
Wir beschränken uns hier auf die Auswertung der Wertrückgänge. Wird der Gesamtanlageerfolg (Total Return) betrachtet kommt der laufende Cash Flow aus der Vermietung in Höhe von 3,2 % – 4,4 % hinzu, der Total Return in 2023 betrug zwischen -1,1 % (Großbritannien) und -7,3 % (USA).
Nutzungsarten: Die Werte von Wohnimmobilien, Logistikzentren und Handelsimmobilien gaben in der Eurozone und in Deutschland zwischen 5 % und 7 % nach, Büroimmobilien haben um etwa 11 % abgewertet (siehe Abbildung 2). Hotels in der Eurozone waren am wenigsten von Wertrückgängen betroffen. In den Tourismus-Destinationen Spanien, Italien und Portugal erzielten Hotels sogar Wertzuwächse zwischen 5 % und 8 %, in Deutschland dagegen waren Wertrückgänge um rd. 5 % zu verzeichnen.
Nicht alle Länder haben sich gleich entwickelt. Daher werden im Folgenden die einzelnen Segmente (Land und Nutzungsart) betrachtet.
Marktsegmente (Land und Nutzungsart): Die Entwicklung der Marktsegmente wird anhand der Risikokennzahlen Quantil 5 % und 1 % (empirisch) dargestellt. Das Quantil 1 % liegt naturgemäß nahe und das Quantil 0,1 % entsprechend sehr nahe am schlechtesten Wert der Zeitreihe. Verglichen werden die Risikokennzahlen auf Basis der Zeitreihe bis 2022 (also wie sie bis einschließlich Mai 2024 berichtet wurden) mit denen des aktuellen Updates der Daten bis 2023 (also wie sie ab einschließlich Juni 2024 berichtet werden). Uns interessiert in erster Linie, wo sich die Risikowerte nach der Datenaktualisierung verschlechtert haben.
Abbildung 3 zeigt eine Auswahl von Marktsegmenten. In der Grafik ganz links ist abzulesen, dass die größte Verschlechterung des 5 %-Quantils im Büromarkt in den USA stattgefunden hat. Der Wert hat sich um 7,9 Prozentpunkte verschlechtert, nämlich von -12,4 % (Zeitreihe bis 2022) auf -20,3 % (Zeitreihe mit 2023, siehe grüner Punkt).
Segmente mit hoher Verschlechterung waren somit die Büromärkte in USA, Australien und Frankreich. Für deutsche Büroimmobilien hat sich das 5%-Quantil nur wenig verändert, nämlich von -4,9 % auf -5,4 %, es fand also mit den Daten des Jahres 2023 eine Verschlechterung um 0,4 % Prozentpunkte statt. Außerdem weisen nach der Datenaktualisierung auch einige Wohnungs-, Handels- und Logistikmarktsegmente höhere 5 %-Quantile auf (siehe Abbildung 3).
Es gibt auch eine Reihe von Märkten, deren Marktpreisrisiken sich mit den aktuellen Daten des Jahres 2023 verbessert haben. Dazu zählen beispielsweise Büroimmobilien in Spanien, Portugal und Irland, sowie Logistikimmobilien in Deutschland, den Niederlanden und Spanien oder auch Wohnimmobilien in Irland. Die Verbesserungen sind jedoch vergleichsweise gering, sie betragen weniger als ein Prozentpunkt.
Wird statt des 5 %-Quantils das 1 %-Quantil als relevante Risikokennzahl ausgewählt, sieht die Auswertung anders aus. Abbildung 4 zeigt die Marktsegmente, bei denen sich das 1 %-Quantil mit Hinzunahme der 2023er Daten verschlechtert haben. Die Veränderungen bewegen sich hier zwischen 5,5 Prozentpunkten im Falle von finnischen Büroimmobilien (Verschlechterung von -4,3 % auf -9,9 %) und 0,1 Prozentpunkten (von -23,2 % auf -23,3 %) bei britischen Büroimmobilien
Werden nicht die Veränderungen der Quantile durch die Daten aus 2023 betrachtet, sondern die aktuellen Quantile der Marktsegmente untereinander, ergibt sich Abbildung 5. Irland gehört aufgrund der Marktverwerfungen der Finanzmarktkrise 2008 zu den Märkten mit sehr hohen Quantilswerten, wobei sich die Werte mit den Daten aus 2023 leicht verbessert haben. Wohnimmobilien in Deutschland und Büroobjekte in Österreich zeigen die geringsten Marktpreisrisiken gemessen am 5 %- und 1 %-Quantil.
Diversifikation nützt gerade auch in turbulenten Marktphasen
Die Messung und Steuerung von Risiken ist heute ein zentrales Thema von institutionellen Anlegern. Die Auswertungen zeigen, dass es große Unterschiede in der Risikoausprägung verschiedener Marktsegmente gibt. Ein ausgewogenes Portfolio mit Immobilien in verschiedenen Marktsegmenten nützt also nicht nur im Hinblick auf die Erwirtschaftung stetiger Erträge, sondern gerade auch zur Begrenzung von Risiken.
Bei allen Überlegungen zur Risikoanalyse und -messung darf nicht vergessen werden: Nicht jedes ausgewiesene Risiko tritt tatsächlich auch in einem bestimmten Fonds ein. Das Backtesting der oben genannten Verfahren hat bislang gezeigt, dass die tatsächlichen Wertrückgänge von Immobilienfonds meist geringer sind, als die Risikokennzahlen darstellen.
¹ Es werden im Wesentlichen Regionen, Länder und Nutzungsarten analysiert, die für die Fonds der Real I.S. von Interesse sind, sowie wegen ihrer allgemeinen Bedeutung zusätzlich die Märkte USA und Großbritannien.
Viele Grüße, Ihr Real I.S. Research-Team
Ihr Ansprechpartner
Sven Scherbetitsch
Real I.S. AG
Research & Investitionsstrategie
sven.scherbetitsch@realisag.de