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„Australien bietet auch jetzt attraktive Opportunitäten für Immobilieninvestments“

Interview mit Michael Wecke, Managing Director, Real I.S. Australia Pty. Ltd.

Wie ist die Grundstimmung am Immobilienmarkt in Australien momentan im Vergleich zu Europa bzw. Deutschland?

Michael Wecke: Man kann grundsätzlich sagen, dass die Stimmung in Australien deutlich optimistischer ist als in Europa generell. Das hat meiner Ansicht nach damit zu tun, dass Europa näher zur Ukraine ist und die Angst vor erhöhten Gas- und Energiepreisen dämpfend auf die Stimmung wirkt. Das ist in Australien fast gar nicht eingetreten. Nach dem „Australia Day“, dem Nationalfeiertag am 26. Januar, sind viele wieder aus dem Urlaub zurück und sehr zuversichtlich. Jeder weiß, dass es noch ein paar Zinserhöhungen geben wird, und ist in einer abwartenden Haltung. Allerdings wird auch erwartet, dass es zum Jahresende 2023 wieder einen Zinsrückgang geben wird und damit wieder Bewegung in den Markt kommt.

Warum wird mit Zinssenkungen gerechnet? Die australische Zentralbank hat erst kürzlich den Leitzins das neunte Mal seit Mai 2022 angehoben und weitere Zinserhöhungen angekündigt.  

Michael Wecke: Die Eigentumsquote ist in Australien deutlich höher als zum Beispiel in Deutschland. Jede Familie hat ihr eigenes Haus oder ihre Wohnung und in der Regel eine Finanzierung, im Schnitt in Höhe von rund einer Million Australischen Dollar. Höhere Zinsen bedeuten auch höhere Finanzierungskosten, insbesondere da die Zinsbindung in Australien in der Regel nur ein bis zwei Jahre beträgt und in vielen Fällen komplett variabel finanziert wird. Auch die Zentralbank in Australien hat diese starke Belastung der privaten Eigentümer im Blick und wird die Zinsen, nachdem die Inflation unter Kontrolle gebracht wurde, auch wieder zurückdrehen (müssen).

Sind denn auch in Australien Preisrückgänge am Immobilienmarkt zu verzeichnen?

Michael Wecke: Nur sehr gering. Preisreduktionen, wie sie in Europa bereits stattgefunden haben, sind in Australien noch nicht eingetreten. Die Preise sind nach wie vor hoch. Nach dem Motto „Sit and wait“ wird versucht, die Zeit auszusitzen. Wenn man nicht verkaufen muss – und das betrifft noch viele –, wird derzeit nicht verkauft. Objekte werden, wenn der Zielpreis nicht erreicht wird, einfach wieder vom Markt genommen. Man ist weniger kompromissbereit. Die Mehrheit geht davon aus, dass es nur ein überschaubarer Zeitraum ist, bis wieder Bewegung in den Markt kommt.

Wann dreht die Situation Ihrer Ansicht nach?

Michael Wecke: In dem Moment, in welchem sicher ist, dass es keine weitere Zinserhöhung mehr über das erwartete Maß hinaus geben wird, wird sich der Markt bewegen. Dann kann man das entsprechend einpreisen und die Ungewissheit ist weg. Das wird spätestens im dritten oder vierten Quartal 2023 der Fall sein. Das ist auch bei der Kalkulation von Nachfinanzierungen ein großes Thema. Und auch generell, wenn wir in Australien von langfristigen Finanzierungen sprechen, sind das ja in der Regel lediglich zwei oder drei Jahre – und nicht etwa zehn. Es ist einfach eine völlig andere Finanzierungslandschaft als in Europa.

Ist der australische Markt denn momentan überhaupt interessant für ausländische Investoren?

Michael Wecke: Durchaus bietet Australien auch jetzt attraktive Opportunitäten für Immobilieninvestments. Denn trotz globaler Krisenherde zeigt sich die australische Wirtschaft stabil und von einer Rezession ist keine Rede. Im Gegenteil, laut Prognosen des IWF dürfte Australiens Wirtschaft 2022 um 3,8 Prozent gewachsen sein. Eine große Rolle spielen auch Investitionen der australischen Regierung in Rekordhöhe. In den kommenden 15 Jahren sind Investitionen in Verkehrsinfrastruktur und Stadtentwicklungen von 120 Milliarden Australischen Dollar geplant. Auch der Arbeitsmarkt ist stabil, die Arbeitslosenzahlen sind auf dem niedrigsten Stand seit fast 50 Jahren. Das wirkt sich positiv auf die Nachfrage nach Wohnraum und qualitativ hochwertigen Büroflächen aus. Für Investoren ergeben sich dadurch sehr aussichtsreiche Möglichkeiten, über Europa hinaus zu diversifizieren. Bereits jetzt. Natürlich muss man auch in Australien den Markt sorgfältig sondieren.

Und dabei zahlt sich sicher eine Präsenz vor Ort aus …

Michael Wecke: Das ist sogar unschätzbar wichtig, um ein Gespür für den australischen Markt und die Entwicklungstrends zu bekommen und natürlich um ein belastbares Netzwerk im Land zu haben. Nicht jede Region und Nutzungsart lohnt sich, eine genaue Marktkenntnis ist für ein erfolgreiches Investment unerlässlich. Real I.S. ist in Australien bereits seit gut zehn Jahren mit einer eigenen Tochtergesellschaft in Sydney präsent. Dadurch ist es uns trotz der schwierigen Marktsituation 2022 gelungen, mit dem Verkauf des Headquarters von „Geoscience Australia“ die größte Office-Transaktion in der Geschichte Canberras abzuschließen. Ein weiterer schöner Erfolg 2022 in Australien war die Verlängerung des Mietvertrags der australischen Regierung in unserem Bürogebäude an der Bourke Street in Melbourne, im Herzen des Central Business-Districts, um weitere zehn Jahre. Auch dabei hat sich das aktive Asset-Management vor Ort ausgezahlt – für das Wachsen einer erfolgreichen Partnerschaft und die Entwicklung eines passenden Konzepts für die modernen Flächen. Natürlich ist auch die Lage sehr wichtig.

Welche Markttrends beobachten Sie derzeit in Australien?

Michael Wecke: Wir sehen eine zunehmende Konzentration auf qualitativ hochwertige Büroimmobilien – Flight to Quality. Diese müssen allerdings nicht zwingend in den Zentren der großen Metropolen sein. Dort sind die Preise extrem gestiegen. Sehr attraktiv sind insbesondere urbane Mischquartiere in City-Nähe, sogenannte City Fringes. Das sind Gegenden, in denen eine junge kreative Bevölkerungsgruppe lebt und sich junge erfolgreiche Unternehmen ansiedeln. Aber auch große Unternehmen beginnen damit, ihren Mitarbeitern Coworking-Arbeitsplätze in diesen Quartieren und somit in Wohnortnähe anzubieten. Dies ist eine Veränderung des Markts, die man als Investor im Blick behalten sollte. Auch wir verfolgen das aktiv in unserer Ankaufsstrategie, Beispiele sind unsere Bürogebäude „Surry Hills House“ in Sydney und „11 Wilson Street“ im Stadtteil South Yarra der Stadt Melbourne. Wir wollen diesen Trend auch künftig nutzen und prüfen weitere geeignete Objekte in diesen Submärkten, die momentan anfangen, sich zu entwickeln. Deshalb ist es umso wichtiger, ein Local-Team zu haben. Aber auch andere Assetklassen beobachten wir genau, interessant ist zum Beispiel der Bereich „Senior Living“. Dieser Investmentmarkt rückt auch in Australien aufgrund der alternden Bevölkerung mehr in den Fokus, da der Bedarf immer größer wird.

Wie sieht die Entwicklung auf dem Wohnimmobilienmarkt aus?

Michael Wecke: Die Preise für Wohnimmobilien sind in den vergangenen Jahren in Australien stark gestiegen. Das erschwert natürlich den Erwerb und bringt gleichzeitig dem Mietmarkt Aufschwung. Der Bedarf in diesem Bereich ist groß. Das hat damit zu tun, dass die Grenzen aufgrund der Coronabeschränkungen zwei Jahre lang zu waren. Nun können Studenten und Fachkräfte wieder einreisen und sorgen für eine größere Nachfrage nach Wohnraum. Es gibt momentan eine Wohnungsknappheit, die in rasant gestiegenen Mietpreisen resultiert.

Sind ausländische Investoren deshalb im Wohnbereich schon stärker investiert?

Michael Wecke: Nein, noch nicht. Es fehlt noch der steuerliche Anreiz für ausländische Investoren, denn die Assetklasse Wohnen kann noch nicht in einem sogenannten MIT-Regime erworben werden, weshalb die Gewinne der Investoren noch immer mit der vollen Steuer von ca. 30 Prozent, statt der halben Steuer von ca. 15 Prozent, besteuert werden. Im Bürobereich sind es beispielsweise 15 Prozent, da der Erwerb dieser Assetklasse in einer MIT-Struktur zugelassen ist. Zudem ist der Erwerb von Bestandswohnraum bislang für ausländische Investoren ausgeschlossen, Investitionen in Projektentwicklungen sind zulässig, werden aber durch das „Foreign Investment Review Board“ (FIRB) streng reglementiert. Die Assetklasse „Built to Rent“ ist mit Sicherheit künftig interessant, da auch in Australien die Mietquote steigt und der Bedarf einfach da ist und ständig wächst. Damit die starke Nachfrage bewältigt werden kann, braucht Australien ausländische Investments. Das kann man allein mit Mitteln aus dem eigenen Land nicht stemmen. Aber da steht Australien ganz am Anfang. Den klassischen Mietwohnungsbau wie in Deutschland gibt es (noch) nicht, weil der Markt bisher nur aus „Built to Sell“-Projekten bestand. Es ist aber auf jeden Fall ein Segment, das auch wir intensiv beobachten.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Wecke.

 

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