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Mai 2024

Immobilienkrise in den USA - Europa zeigt sich resilienter

Der US-amerikanische Büroimmobilienmarkt befindet sich im Auge des Sturms. Die Leitzinserhöhungen der Federal Reserve Bank haben zu einem Nachfrageeinbruch im Investmentmarkt geführt. Hinzukommen, angesichts vermehrter Home-Office-Tätigkeit und hoher Leerstandsraten, fallende Mieten im Vermietungsmarkt in den amerikanischen Großstädten. Im Ergebnis befinden sich die Kaufpreise für Büroimmobilien im kräftigen Sinkflug und viele Marktbeobachter sprechen von einer Immobilienkrise in den USA. Sind die USA damit ein Vorbote für die Entwicklung in Europa? Die folgenden Argumente sprechen gegen diese Annahme:

Vermietungsmarkt: Die Leerstandsrate für Büroimmobilien ist in den USA auf aktuell 20,5 % angestiegen (siehe Abbildung 1) und liegt damit über dem bisherigen Höchststand aus dem Jahr 2011 (18,2 %). In Europa liegt die Leerstandsrate aktuell bei 7,8 % und damit deutlich unter dem Höchststand von 10,3 % aus dem Jahr 2011. Eine wichtige Ursache hierfür liegt in den Auswirkungen der Covid-19 Pandemie: In den USA sind Büroangestellte in größerem Ausmaß als in Europa aus den Großstädten wie beispielsweise New York, Los Angeles, Chicago und San Francisco in ländlichere Regionen umgezogen, um die Möglichkeit des remote working zu nutzen und folglich ist die Büroflächennachfrage stärker zurückgegangen. Weiterhin ist der Gebäudebestand in den USA älter und weniger energieeffizient als in Europa. Angesichts der gestiegenen Anforderungen der Mieter an ihre Büroflächen ist hierdurch der strukturelle Büroleerstand höher als in Europa und in den letzten Jahren stärker angestiegen. Der hohe und gestiegene Leerstand belastet den Mietmarkt und treibt damit auch den Preisverfall im Investmentmarkt voran.

Investmentmarkt: Der Zinsanstieg war in den USA drastischer als in Europa. Die Federal Reserve Bank hat den Leitzins um 525 Basispunkte auf 5,25 % angehoben, die EZB erhöhte den Leitzins um 450 Basispunkte auf 4,5 %. Analog war die Entwicklung der Kapitalmarktzinsen (Renditen 10-jähriger Benchmark-Anleihen): Diese sind vom Tiefpunkt in den USA um 410 Basispunkte auf aktuell 4,6 % angestiegen, in Deutschland (als Benchmark für Europa) dagegen um 320 Basispunkte auf aktuell 2,5 % (siehe Abbildung 2). Diese Entwicklung hat zu einem stärkeren Preisverfall im Investmentmarkt der USA verglichen mit Europa geführt.

Da in den USA Immobilienfinanzierungen in deutlich größerem Ausmaß als in Europa mit variablem Zins abgeschlossen werden, wirkt sich der im Vergleich zu Europa deutlichere Zinsanstieg auch viel schneller auf die Objekt-Cash-Flows der Immobilienbestandshalter aus. Ergebnis dessen sind Notverkäufe im Markt und diese haben den Preisverfall beschleunigt.

Verkehrswertermittlung: In den USA ist es üblich für die Wertermittlung der Bestandsimmobilien ein marktnahes Verfahren, das sogenannte Discounted-Cash-Flow Verfahren, anzuwenden. Hierdurch werden Bestandsimmobilien zu Marktpreisen bewertet. Folglich sind die Verkehrswerte in den USA deutlicher gefallen. In Europa ist das Ertragswertverfahren verbreitet. Hier wird tendenziell ein nachhaltig fairer Wert ermittelt. Im Ergebnis steigen in Europa die Bestandswerte (Verkehrswerte) im Marktaufschwung langsamer als die Marktpreise im Investmentmarkt und entsprechend fallen diese auch langsamer während einer Marktkorrektur.

Die größeren Verkehrswertkorrekturen für Büroimmobilien in den USA versus Europa zeigen sich auch in den Daten vom Finanzdienstleister MSCI: In den USA lag die Wertänderungsrendite für Bestandsimmobilien im Bürosegment aggregiert für 2022 & 2023 bei 27 %, in Deutschland (Daten für Europa liegen von MSCI für 2023 noch nicht vor) bei aggregiert 11 %.

Infolge der größeren Verkehrswertkorrekturen im Immobilienbestand in den USA wurden tendenziell öfter Finanzierungscovenants aus den Darlehensverträgen verletzt und es kam zu Notverkäufen, die den Preisrückgang im Investmentmarkt beschleunigt haben.

 
Gefahr noch nicht gebannt

Trotz allem kann die Büroimmobilienkrise in den USA auch Auswirkungen für Europa haben. Europäische Banken, die höhere Rückstellungen für drohende Verluste für Darlehen in den USA bilden müssen, werden ihre Kreditengagements für Immobilien in Europa möglicherweise reduzieren und damit trübt sich auch das Finanzierungsumfeld in Europa ein. Weiterhin schüren Nachrichten zur Immobilienkrise in den USA in den Medien auch die Unsicherheit zur weiteren Marktentwicklung in Europa und belasten damit die Stimmung der Marktteilnehmer im Investmentmarkt.   

 

Fazit: Höhere Marktresilienz in Europa versus USA

Die Unterschiede der Marktentwicklung im Vermietungs- und Investmentmarkt für Büroimmobilien in den USA versus Europa sind klar erkennbar. Höhere Leerstandsraten und der kräftigere Zinsanstieg belasten den US-Markt stärker, die Wertrückgänge im Immobilienbestand und die Preisrückgänge bei An- und Verkauf im Investmentmarkt sind drastischer als in Europa. Europas Büroimmobilienmarkt ist dabei kein Fels in der Brandung. Auch in Europa steigen die Leerstandsraten tendenziell an und es kam zu Preisrückgängen. Aber Europa präsentiert sich aktuell deutlich solider, insbesondere im Vermietungsmarkt, der für die meisten europäischen Großstädte noch vergleichsweise niedrige Leerstandsraten und Spitzenmietwachstum aufweist. Im Büroimmobilienmarkt hat Europa damit gegenüber den USA die Nase vorn.

Viele Grüße, Ihr Real I.S. Research-Team

Ihr Ansprechpartner

Marco Kramer
Real I.S. AG
Research & Investitionsstrategie

marco.kramer@realisag.de