Zinsanstieg treibt Marktkorrektur
Seit Ende des Jahres 2021 hat sich das Kapitalmarktumfeld signifikant geändert: Die langfristigen Zinsen stiegen von -0,5 % bis auf aktuell 2,7 % um 320 Basispunkte. Einen solchen Zinsanstieg gab es seit über 30 Jahren nicht mehr. Der starke und schnelle Zinsanstieg belastet aktuell die Immobilienmärkte. Der Renditeaufschlag (Risikoprämie) für Immobilien gegenüber der risikolosen Staatsanleihe ist zurückgegangen. Zudem sind die Finanzierungskosten für Immobilien kräftig angestiegen und schmälern damit die Performanceerwartung einer Immobilieninvestition. Im Ergebnis fallen die Preise für Wohn- und Gewerbeimmobilien. Mit einer Stabilisierung des Preisniveaus ist erst im Jahr 2024 zu rechnen. Dann werden sich aber in den Immobilienmärkten attraktive Marktopportunitäten ergeben. Infolge des Preisrückgangs werden die Renditeerwartungen von Immobilieninvestitionen wieder deutlich ansteigen. Derartige Marktopportunitäten ergeben sich historisch betrachtet nur sehr selten, zuletzt im Nachgang der Finanzmarktkrise der Jahre 2008/2009, also vor 15 Jahren.
Logistikimmobilien zeigen kräftigen Renditeanstieg
Die aktuelle Preiskorrektur im Immobilienmarkt zeigt eine unterschiedliche Dynamik je Nutzungsart. Vergleicht man die Anfangsrenditen zum Jahresbeginn 2022, also vor Beginn des Zinsanstieges infolge des Russland-Ukraine-Konfliktes, mit den aktuellen Daten von Q2 2023, so zeigt sich insbesondere im europäischen Logistiksektor ein kräftiger Renditeanstieg von 120 Basispunkten (siehe Abbildung 1). Dem Maklerhaus Jones Lang LaSalle zufolge liegen die Nettoanfangsrenditen im Durchschnitt aktuell bei rd. 4,6 % im Vergleich zu 3,4 % Anfang 2022. Die Korrektur in den anderen Nutzungsarten fiel etwas schwächer aus, die Segmente Büro und Wohnen zeigten aber europaweit auch einen deutlichen Anstieg der Nettoanfangsrenditen. Wohnhybride wie Healthcare Immobilien und Studentisches Wohnen verzeichneten eine moderate Preiskorrektur, bieten dafür allerdings mit 4,8 % und 4,7 % weiterhin die höchsten Nettoanfangsrenditen. Weniger deutlich fiel die Preiskorrektur im Einzelhandelssektor aus. Grund hierfür ist das bereits erfolgte Repricing in den letzten Jahren.
Sicherheit in den Vermietungsmärkten nicht außer Acht lassen
Neben den Anfangsrenditen im Investmentmarkt spielt die Entwicklung der Vermietungsmärkte und damit die Entwicklung der Marktmieten eine entscheidende Rolle für die mittelfristige Performance eines Immobilieninvestments. Grundlage für eine gute Entwicklung im Vermietungsmarkt ist ein solides Wirtschaftswachstum als Treiber der Flächennachfrage in dem jeweiligen Land. Auf Basis der Prognosen für das reale BIP-Wachstum der Jahre 2023 und 2024 (im Durchschnitt) zeigen insbesondere die Länder Irland, Spanien, Portugal, Luxemburg und Belgien eine positive Entwicklung.
Neben der Wachstumsentwicklung im Land sind auch nutzungsartenspezifische Faktoren wichtige Treiber für die Entwicklung der Vermietungsmärkte. Aktuell gibt es in den Vermietungsmärkten große Unterschiede in der Attraktivität der jeweiligen Nutzungsarten:
Büroimmobilien
Die konjunkturelle Schwäche und die vermehrte Home-Office-Tätigkeit von Bürobeschäftigten sind die Treiber hinter dem aktuell nachlassenden Flächenbedarf der Unternehmen. Die Leerstandsraten steigen tendenziell an, das Mietwachstum hat sich verlangsamt oder ist zum Stillstand gekommen. Grundsätzlich befinden sich die Leerstandsraten aber noch auf historisch niedrigen Niveaus. Die Lage- und Objekteigenschaften eines Büroobjektes werden für Unternehmen zunehmend wichtiger. Mietinteressenten bevorzugen Zentrumslagen mit guter ÖPNV-Anbindung sowie ausreichenden Nahversorgungs- und Einkaufsmöglichkeiten im Umfeld, um für ihre Beschäftigten eine attraktive Alternative zum Home-Office zu bieten. Zudem sind die Flexibilität der Büroflächen und die Energieeffizienz des Gebäudes maßgebliche Entscheidungskriterien. Büroflächen in Zentrumslagen werden sich im Ergebnis zukünftig gegenüber Büroflächen in Randlagen hinsichtlich des Mietwachtsums noch deutlicher differenzieren als in den vergangenen Jahren.
Logistikimmobilien
Der Markt für Logistikimmobilien bleibt angesichts niedriger Leerstandsraten und anhaltendem Mietwachstum attraktiv. Eine gewisse Normalisierung des Nachfrageüberhangs ist aber infolge des rückläufigen Flächenbedarfs der großen Online-Händler wie Amazon und Zalando etc. zu beobachten.
Hotelimmobilien
Die Übernachtungszahlen in der europäischen Städtehotellerie haben sich deutlich schneller erholt als erwartet. Aktuell liegen in vielen Städten die Hotelauslastungen wieder auf Vor-Corona-Niveau. Neben der touristischen Reiseaktivität haben auch die Geschäftsreisen wieder deutlich zugenommen und im Ergebnis hat die hohe Nachfrage einen Wiederanstieg der Zimmerpreise ausgelöst. Damit ist die Hotellerie wieder hochprofitabel.
Handelsimmobilien
Einkaufszentren und Geschäfte in Haupteinkaufsstraßen verzeichnen eine anhaltende Erholung der Besucherfrequenz, die Umsätze sind aber noch schwach, so dass es immer noch zu Geschäftsaufgaben kommt und die Mieten unter Abwärtsdruck bleiben.
Wohnimmobilien
Der Wohnimmobilienmarkt profitiert von den anhaltend niedrigen Arbeitslosenquoten im Euroraum. Der Mangel an qualifizierten Beschäftigten hat viele Firmen bewogen, trotz schwacher Konjunktur, ihre Beschäftigtenzahlen nicht zu verringern. Die Mieten in den meisten Großstädten befinden sich im Ergebnis weiter im Aufwärtstrend. Dies liegt neben der hohen Nachfrage aber auch am Angebotsmangel sowie an den gestiegenen Kosten für den Wohnungskauf durch die höheren Fremdkapitalkosten. Neben dem klassischen Wohnen zeigen auch Wohnhybride wie Studentisches Wohnen, Micro-Living Konzepte und Betreutes Wohnen hohe Auslastungszahlen und bieten damit Stabilität.
Mietwachstumsprognosen sprechen für Logistikimmobilien
Die fundamentale Situation in den Vermietungsmärkten spiegelt sich auch in den Mietwachstumsprognosen wider. Kurz- bis mittelfristig (2024-2027) prognostiziert der Datenanbieter PMA das höchste Mietwachstum für den europäischen Logistiksektor, mit einem jährlichen Mietanstieg von rd. 3,4 %. Für die europäischen Büromärkte wird ein jährliches Mietwachstum von 2,1 % erwartet, während die Mieten im Wohnungsmarkt um rd. 1,7 % p.a. ansteigen sollen.
Aus den Mietwachstumsprognosen je Land und Nutzungsart und den weiter oben im Text dargestellten Anfangsrenditen wurde in der Abbildung 2 eine Attraktivitätsmatrix erstellt. Diese zeigt die Netto-Anfangsrendite auf der y-Achse und die Mietwachstumserwartung in den kommenden Jahren auf der x-Achse. Beispielsweise kann für den niederländischen Logistikmarkt aktuell eine Anfangsrendite von 4,7 % und ein Mietwachstum von durchschnittlich 3,3 % p.a. in den kommenden Jahren erwartet werden. Damit bieten diejenigen Länder-/Nutzungsartenkombinationen, die rechts oben in der Grafik liegen, aus Marktsicht tendenziell höhere Performanceerwartungen.
Fazit
Der Zinsanstieg hat zu einem Preisrückgang im Immobilienmarkt geführt. Sobald dieser aller Wahrscheinlichkeit nach im Jahr 2024 zum Stillstand kommen wird, ergeben sich attraktive Wiedereinstiegsopportunitäten zu höheren Anfangsrenditen. Dabei gilt es Renditechancen im Investmentmarkt zu nutzen, aber nicht eine hohe Stabilität in den Vermietungsmärkten zu vernachlässigen. Im Fokus für einen attraktiven Rendite/Risiko-Mix stehen aktuell Länder wie Spanien, Portugal, Irland, Luxemburg und Belgien als Ergänzung zu den großen Märkten Deutschland und Frankreich. Bei den Nutzungsarten zeigen vor allem Logistik, Wohnen und Hotel eine hohe Nachfragestabilität und Mietwachstum. Im Bürosegment sind vor allem energieeffiziente Gebäude in Zentrumslagen attraktiv.
Viele Grüße, Ihr Real I.S. Research-Team
Ihre Ansprechpartner
Marco Kramer
Real I.S. AG
Research & Investitionsstrategie
Luca Gudewill
Real I.S. AG
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