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Februar 2024

Megatrend Demografischer Wandel: Assetklasse mit viel Potential – der Markt für Betreutes Wohnen in Deutschland

Die Bevölkerung in Deutschland wird immer älter. Die Statistiken der Bevölkerungsentwicklung in Deutschland bestätigen dies: Die Zahl der 65-Jährigen und Älteren ist seit 1991 von 12 Millionen auf 18,7 Millionen im Jahr 2023 deutlich angestiegen. Da jüngere Geburtsjahrgänge zugleich sinken, stellen die über 65-Jährigen auch einen immer größeren Anteil an der Gesamtbevölkerung dar: 15 % im Jahr 1991 und bereits 22 % im Jahr 2023. Vor allem in Ostdeutschland ist der Altenquotient (das Verhältnis von Einwohner ab 65 Jahren zu Einwohner zwischen 20 und 64 Jahren) relativ hoch (siehe Abbildung 1). Dies soll sich laut Prognosen in den kommenden Jahren in allen Bundesländern, aber allen voran in den ostdeutschen, noch weiter verstärken (siehe Abbildung 2). Dieser Wandel wird die Immobilienwirtschaft, insbesondere den Teilbereich Seniorenwohnen, stark beeinflussen.

Wohnform Betreutes Wohnen bietet viele Freiheiten und Vorteile

Es gibt viele unterschiedliche Wohnformen im Alter. Da jedoch das selbstbestimmte Leben bevorzugt wird, erfreut sich die Wohnform Betreutes Wohnen einer immer größeren Beliebtheit. Beim Betreuten Wohnen handelt es sich um barrierefreie Wohnungen, die angemietet oder auch angekauft werden können. In der Regel wird ein Wohnraummiet- oder ‑kaufvertrag abgeschlossen sowie ein separater Dienstleistungsvertrag über die Erbringung von geringfügigen Betreuungsleistungen wie Hausnotruf und Beratungs- sowie Vermittlungshilfen. Für diese Leistungen müssen meist verpflichtende Betreuungspauschalen entrichtet werden, die etwa 180 EUR/Monat für einen Ein-Personenhaushalt (marktüblicher Ansatz) kosten. Die Betreuungspauschale kann aber auch deutschlandweit betreiberabhängig zwischen 80 und 400 EUR/Monat/Person liegen. Diese Betreuungsleistungen unterscheiden die Wohnform Betreutes Wohnen von Wohnangeboten, die nur eine altersgerechte Wohnung bieten. Bei Bedarf können weitere Wahl- bzw. Service-Leistungen (z. B. Pflegeleistungen) zusätzlich gebucht werden – diese müssen frei wählbar sein. Anders als im Heimbereich gibt es für Betreutes Wohnen keine rechtlichen Vorschriften, welche Leistungen umfasst werden müssen. Dies ist wiederum eine wichtige Abgrenzung zu Pflegeheimen, die als stationäre Versorgungsform eine verpflichtende und vollumfängliche Dienstleistungs- und Pflegeversorgung anbieten und der Heimgesetzgebung der Länder unterliegen.

 

Nachgefragt werden barrierefreie 2-Zimmerwohnungen mit etwa 54 m² Wohnfläche in Stadtnähe

Die Wohnungen im Betreuten Wohnen entsprechen in Lage, Ausstattung, sowie Schnitt den Bedürfnissen älterer Menschen. Zusätzlich gibt es oft ein Angebot an Gemeinschaftsräumen für den sozialen Austausch. Es gibt von Ein-Zimmer bis Mehr-Zimmerwohnungen unterschiedliche Wohnraumtypen. Die Zwei-Zimmerwohnung ist aber der gängigste Wohnungstyp und wird auch am häufigsten nachgefragt. Die Wohnfläche der Wohnungen im Betreuten Wohnen kann stark variieren, jedoch ist eine durchschnittliche Wohnung etwa 54 m² groß. Deutschlandweit befinden sich die meisten Wohnanlagen mehrheitlich in urbanen und wirtschaftsstarken Gebieten.

Das Wohnen in Betreuten Wohnanlagen ist jedoch in städtischen Regionen im Schnitt deutlich teurer als in ländlichen Regionen. In einer deutschen A-Stadt (z.B. Berlin, Frankfurt, Köln) werden im Durchschnitt knapp 1.240 EUR/m²/Monat für einen Ein-Personenhaushalt in einer 54 m² großen Wohnung in einer Betreuten Wohnanlage (inkl. Nebenkosten und Betreuungspauschale) fällig (siehe Abbildung 3). In einer D-Stadt (z.B. Aschaffenburg, Flensburg, Trier) liegen die Kosten für eine Warmmiete inklusive Betreuungspauschale bei 1.040 EUR/m²/Monat. Aufgrund der seniorengerechten Ausstattung und Schnitte sind die Kaltmieten in Betreuten Wohnanlagen durchschnittlich etwa 20 % höher als im klassischen Wohnungsmarkt.

Insgesamt liegt die Wohnkostenbelastung im Betreuten Wohnen für einen Ein-Personenhaushalt im Durchschnitt in A‑Städten bei 47 % und in D-Städten bei 44 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens einer Person im Alter von 65 Jahren und mehr. Die Mietpreisentwicklungen im Betreuten Wohnen entsprechen dem allgemeinen Trend der Mietentwicklungen auf dem gesamten Wohnungsmarkt.

 

Viele kleine Anbieter: Die Top 5 Betreiber decken zusammen gerade einmal 5% des Marktes ab

Wohnanlagen von Betreutem Wohnen können sich in oder zugehörig zu einem Pflegeheim befinden. Es gibt aber auch Einrichtungen, die sich in bestehenden Wohnanlagen, in Mehrgenerationenhäusern, als Solitäre oder in Senioren-Residenzen befinden. Eine Betreute Wohnanlage verfügt nicht immer über einen Betreiber bzw. Generalvermieter, so dass die Wohnungen auch einzeln von unabhängigen Eigentümern vermietet bzw. verkauft werden und es dazu einen angeschlossenen ambulanten Betreuungsdienstleister gibt. In der Regel wird Betreutes Wohnen jedoch von freigemeinnützigen (z.B. AWO, DRK), kirchlichen (z.B. Diakonie, Johanniter) sowie Pflegeheimbetreibern (z.B. Alloheim, Victor’s Group, Korian) als Gesamtpaket angeboten. Zudem gibt es spezialisierte Premium-Anbieter (sog. Seniorenresidenzen) wie Augustinum, Rosenhof und Tertianum. Im Durchschnitt führen Betreiber zwei Wohnanlagen mit je 46 Wohneinheiten. Die fünf größten Betreiber in Deutschland betreuen jedoch zusammen über 24.660 Wohneinheiten (siehe Tabelle unten). Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 450.000 Wohnungen in über 8.900 Betreuten Wohnanlagen.

Betreute Wohnanlagen haben durchschnittlich eine Auslastungsquote von 95%. Die Wartezeit auf eine Wohnung im Betreuten Seniorenwohnen beträgt über ein Jahr. Das Angebot Betreutes Wohnen wird eher selten von jüngeren Senioren unter 65 Jahren genutzt. Es wird mehrheitlich von Hochaltrigen (80 Jahre und älter), die über die Hälfte der Bewohnerschaft ausmachen, in Anspruch genommen. Im Durchschnitt leben die Bewohner fünf Jahre in Betreuten Wohneinrichtungen.

 

Nachfrage nach Betreutem Wohnen steigt, aber es gibt eine große Versorgungslücke

Die Nachfrage nach Betreuten Wohnangeboten hat in den vergangenen Jahren sehr stark zugenommen, so dass der Bedarf gestiegen ist. Der Bedarf des Marktes für Betreutes Wohnen ergibt sich aus der Gesamtversorgungskennziffer (GKV). Sie errechnet sich aus dem Anteil der Bevölkerungsgruppe der über 65-Jährigen im Verhältnis zu den verfügbaren Wohn- und Pflegeangeboten. Unter der Annahme, dass 10 % der über 65-Jährigen einen verfügbaren Platz in einer seniorengerechten Wohnform benötigen, setzt sich die GVK aus Angeboten der vollstationären Pflege (5 %), des Betreuten Wohnens (3 %), seniorengerechten Wohnungen ohne Services (1 %) und anderer Versorgungsformen wie z.B. Senioren-WGs (1 %) zusammen. Somit wird angenommen, dass 3 % der über 65-Jährigen eine Wohnung in einer Betreuten Wohnanlage benötigen. Ein aktueller Bestand von etwa 450.000 Betreute Wohnungen in Deutschland ist unter dieser Annahme somit zu gering. Um den aktuellen Bedarf gemäß GKV decken zu können, müsste es derzeit in Gesamtdeutschland etwa 25 % mehr Betreute Wohnungen geben (siehe Abbildung 4).  Selbst unter der optimistischen Annahme, dass der Bestand Betreuter Wohnangebote bis zum Jahr 2040 jährlich um 2 % wachsen würde, würde die Versorgungslücke immer noch 11 % betragen.

Es gibt unterschiedlich große Versorgungslücken je nach Bundesland (siehe Abbildung 5). Im Verhältnis zum aktuellen Bestand von Wohnungen in Betreuten Wohnanlagen fehlen die meisten Apartments in Rheinland-Pfalz. Zu den aktuell etwa 13.300 Wohnungen müssten bis zum Jahr 2040 164 % des aktuellen Bestandes (etwa 21.800 Apartments) hinzukommen, um den Bedarf gemäß GKV decken zu können. Die größte Anzahl an Betreuten Wohnangeboten müsste jedoch in Bayern errichtet werden. Hier fehlen bis zum Jahr 2040 über 60.600 Wohnungen. Nur in Hamburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es bereits ein leichtes Überangebot an Betreuten Wohnungen.

Wachsendes Investmentinteresse und faire Renditen für Betreutes Wohnen

Bis Mitte der 2010er Jahre war Betreutes Wohnen eher eine Beimischung zum Kernprodukt Pflegeheim. Seitdem wurden jedoch von unterschiedlichen Anbietern Fondsprodukte für Senioren Wohnen aufgelegt und der Fokus wurde gezielt auf Objekte des Betreuten Wohnens gerichtet. Auch wir können im Rahmen unseres Fonds Real I.S. Modern Living in Betreutes Wohnen investieren. Dass sich Betreutes Wohnen von einer Nische zu einer etablierten Assetklasse entwickelt hat, zeigt sich insbesondere an der Zunahme des Transaktionsvolumens: Im Jahr 2015 wurden in Deutschland Betreute Wohnanlagen von insgesamt gerade einmal 69 Mio. Euro gehandelt, im Jahr 2021 konnte bereits ein Rekord-Investmentvolumen von 816 Mio. Euro verzeichnet werden. Die Zinswende seit dem Frühjahr 2022 und die schwierige Preisfindung am Investmentmarkt zeigt sich jedoch auch auf dem Markt für Betreutes Wohnen: Im Jahr 2022 wurde in Deutschland 601 Mio. Euro und im Jahr 2023 nur noch 283 Mio. Euro investiert – davon über die Hälfte auf in Bau und in Planung befindliche Objekte.

Im Vergleich zu Pflegeheimen lässt sich für Betreutes Wohnen eine geringere Rendite, im Vergleich zu klassischen Wohnimmobilien jedoch ein Renditeaufschlag verzeichnen. Vor der Zinswende lagen die Nettospitzenrenditen für Betreutes Wohnen in Deutschland bei 3,25 %, in Q3 2023 lagen sie bei 4,25 % (im Vergleich: Renditen in Q3 2023 für Pflegeheime 5,1 % und klassisches Wohnen 3,6 %).

 

Fazit: Betreutes Wohnen ist eine attraktive Alternative mit viel Zukunftspotential

Das Betreute Wohnen etabliert sich – sowohl bei den Nutzern als auch bei den Immobilieninvestoren – immer mehr als Alternative zum klassischen Pflegeheim. Das Nachfragepotenzial ist hoch, sodass der Markt ein flächendeckendes Angebot in vielen Produktqualitäten, Wohnungsgrößen und Konzepten bietet. Die massiv gestiegenen Baukosten in Folge der Energiekrise und des Fachkräftemangels im Baugewerbe werden die Neubautätigkeit aber auch im Betreuten Wohnen reduzieren, so dass der eigentliche Bedarf lange nicht gedeckt werden kann und sich die aktuelle Versorgungslücke vergrößern könnte.

Im Gegensatz zu Pflegeheimen lassen sich die Mieten in Betreuten Wohnanlagen deutlich einfacher an das Marktniveau anpassen, was es für Immobilieninvestoren attraktiv macht. Jedoch sollte als gesellschaftliche Herausforderung darauf geachtet werden, dass es ein bezahlbares Angebot für alle Einkommensgruppen gibt. Das „S“ bzw. „Social“ in ESG spielt bei Investments in Betreutes Wohnen zudem eine wichtige Rolle und macht diese Assetklasse noch interessanter. Als Investor kann man somit ein Zeichen setzten, in dem auf die Bedürfnisse älterer Menschen eingegangen und altersgerechter Wohnraum gefördert wird.  

Zudem sind mit Betreuten Wohnanlagen auch faire Renditen erzielbar. Betreutes Wohnen ist nicht nur bei der Nutzung zwischen klassischem Wohnen und vollstationärer Pflege anzusehen, die Renditen spiegeln dies auch wider. Alles in allem ist Betreutes Wohnen eine langfristige, attraktive Assetklasse mit viel Potential für die Zukunft.

Viele Grüße, Ihr Real I.S. Research-Team

 

 

Verwendete Quellen: Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales; BFS Service/Kuratorium Deutsche Altershilfe; bulwiengesa, CBRE; Destatis; Immotiss; Pflegemarkt.com; Savills

Ihre Ansprechpartnerin

Olivia Krebs
Real I.S. AG
Research & Investitionsstrategie

olivia.krebs@realisag.de