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September 2023

Megatrend Demografischer Wandel: Studentenwohnen als langfristige Investmentchance

Neben aktuellen Themen, die den Immobilienmarkt stark beeinflussen wie der Zinsentwicklung oder den hohen Baukosten, ist ein Megathema ganz in Vergessenheit geraten. Dabei handelt es sich um nichts Geringeres wie den demografischen Wandel und dessen Einfluss auf die Immobilienwelt. Genau darum geht es in folgender Research News, die der Kernfrage nachgeht: Welche Investmentopportunität ergibt sich für Europa aus dem demografischen Wandel anhand der Bevölkerungsstruktur, abseits der bereits bekannten Seniorenimmobilie?

 

Auswirkungen des demografischen Wandels in Europa

Der oft diskutierte demografische Wandel in Europa hin zu einer alternden Gesellschaft trifft zwar zu, gilt es allerdings differenziert zu betrachten. Demografie in Europa ist wesentlich durch die geburtenstarken Jahrgänge der Baby Boomer (1946 – 1964) und Generation X (1965 – 1979) geprägt. In den nächsten Jahrzehnten führt dies zu einem Rückgang in der arbeitenden Bevölkerung und einem Anstieg des Durchschnittsalters.

Wenn man sich die Bevölkerungsstatistiken genauer ansieht, fällt auf, dass die Anzahl der jungen Menschen absolut gesehen in den nächsten Jahrzehnten sehr stabil bleiben wird. Grund dafür ist, dass der Geburtenrückgang schon vor Jahren einsetzte und somit kein neues Phänomen ist. Konkret geht der Anteil der jungen Bevölkerung (15-29 Jahre) nur geringfügig bis ins nächste Jahrhundert auf 15 % zurück (16,3 % in 2021). Von 2011 bis 2021 wurde der stärkste Rückgang der Bevölkerung in den osteuropäischen Ländern verzeichnet, der Rückgang in Westeuropa war hingegen marginal. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen (0 bis 19 Jahre) wird ebenfalls stabil bis 2100 bei 18 % bleiben (20 % in 2022) (Quellen: EU Parlament, BiB, destatis, Eurostat).

Der demografische Wandel tangiert die junge Generation in Europa somit nur minimal, was eine gute Planbarkeit für Investoren mit sich bringt. Da nach wie vor ein sehr hoher Teil der Schulabsolventen ein Studium anstrebt, eignet sich als passende Anlageklasse das Studentenwohnen. Ob es sich dabei wirklich um eine interessante Investmentopportunität handelt, wird nun betrachtet.

 

Studentenwohnen profitiert vom Trend zu höherer Bildung

Die Akademisierung der Gesellschaft ist weiterhin im Trend, was die Studienanfängerquoten verdeutlichen. In Deutschland stieg diese exponentiell seit 2006 von 35,6 % auf mittlerweile rund 55 % an. Einher geht dies mit einem Ausbildungstief in Deutschland in den letzten zwei Jahren (Quelle: statista).

Studentenunterkünfte treffen den Zeitgeist der Zielgruppe von modernen, flexiblen und möblierten Wohnen nach dem ready-to-move-in Prinzip. Gefragt sind laut einer Studie von EY ruhige, blickgeschützte, nachhaltige Unterkünfte mit Grünfläche und einem guten ÖPNV-Anschluss. Optimalerweise lässt sich leben, studieren und lernen an einem Ort. Besonderen Anklang finden dabei Unterkünfte mit Begegnungsstätten, Lernplätzen, Waschmöglichkeiten. Gern gesehen sind zudem Fitnessräume. Weniger relevant ist eine aufregende Architektur oder ein aktives Nachtleben in der Umgebung (Quelle: casita).

 

Vermietungsmarkt Studentenwohnen: Steigende Nachfrage trifft auf Angebotslücke

Studentenwohnen ist eine Unterart des Mikrowohnens, welche sich in den letzten Jahren, getrieben durch Urbanisierung und Singularisierung, zu einer eigenständigen Assetklasse entwickelte. Vorwiegend ist darunter temporäres Wohnen in kleinen, voll ausgestatteten Wohnungen zu verstehen.

In der EU 27 gab es zum Wintersemester (WS) 2021/22 rund 16,4 Mio. eingeschriebene Bachelor- und Masterstudierende. Die Länder mit der größten Anzahl an Studierenden sind Deutschland (3,1 Mio.), Frankreich (2,2 Mio.), Spanien (1,6 Mio.) und die Niederlande (940 Tsd.). Vom WS 2016/17 bis 2021/22 verzeichnete die EU einen Zuwachs an Studierenden von rund 6,5 %. Spitzenreiter waren dabei Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Portugal und Irland mit einem Anstieg von jeweils über 10 %. Das größte Wachstum legte dabei die Niederlande mit einer durchschnittlichen Steigerungsrate von rund 3,2 % p.a. hin (siehe Abbildung 1).

Der größte Treiber für den wachsenden Studentenwohnungsmarkt sind, neben steigenden nationalen Studierendenzahlen, die internationalen Studenten, deren Anteil in Europa und insbesondere in Portugal, den Niederlanden und Irland in letzter Zeit deutlich zugenommen hat (siehe Abbildung 2). Den Zuwachs an internationalen Studierenden belegt auch der europaweite Anstieg des Angebots an ETP (English Taught Programmes). Laut Campus France ist Europa die führende Aufnahmeregion für mobile Studierende, die meisten kommen dabei aus China, Indien und Vietnam. Besonderen Anklang finden als Zielländer UK, Deutschland und Frankreich. Zudem punktet der europäische Raum für Studentenunterkünfte durch das Erasmusprogramm. Laut der europäischen Kommission absolvieren jährlich mehr als 300.000 Studierende ein Erasmusaustausch in Europa (Stand 2019). Die beliebtesten Länder sind dabei Deutschland, Spanien und Frankreich. In Amerika wird der Auslandswunsch auch immer höher. Laut einer Studie wollen rund 72 % der Amerikaner an Studienprogrammen im Ausland teilnehmen (Stand: 03/2023).

Die häufigste Wohnsituation von Studierenden in Europa ist bei den Eltern. Besonders ausgeprägt ist dies in südlichen und eher weniger in nordischen Ländern, wo beispielsweise das Auszugsalter in Finnland bei 21,2 Jahren liegt. In Deutschland, Frankreich und den Niederlanden folgt ein Auszug meist im 23. Lebensjahr. Der Drang so früh wie möglich aus dem Elternhaus auszuziehen, zeigt eine Umfrage in Deutschland in der dies 43 % bestätigten. Im Durchschnitt leben 10 % aller Studierenden in Europa allein und 17 % in einem Studentenwohnheim.

Die Angebotslücke an Studentenunterkünften wird beispielsweise in Deutschland ersichtlich, wo 54 % aller Mieter von Mikroapartments Studenten sind (Quelle: Handelsblatt). Der (städtische) Wohnungsmarkt ist aufgrund der ohnehin schon hohen Nachfrage und angespannten Situation nur für die wenigsten Studierenden – insbesondere für die Internationalen, mangels Wettbewerbsfähigkeit – eine wirkliche Alternative. Öffentliche Anbieter sind derzeit noch prozentual stark am Markt vertreten, können die Nachfrage seit Jahren jedoch nicht zufriedenstellend bedienen, was in Wartezeiten von mehreren Semestern endet und zudem weisen diese oft einen veralteten, nicht zeitgemäßen Bestand auf. Dies kombiniert mit einer stets wachsenden Anzahl an Studierenden, mündet in einer großen Angebotslücke an Studentenunterkünften in europäischen Ländern. Eine besonders hohe Versorgungslücke von jeweils über 70 % weisen dabei Deutschland, Spanien, Portugal und Österreich auf (siehe Abbildung 3). Die Wohnform trifft zudem den Zeitgeist der jungen Bevölkerung von flexiblen und möblierten Wohnungen (Quelle: destatis, republik).

Der Markt wird überwiegend noch von öffentlichen Anbietern geprägt, wobei immer mehr privatwirtschaftliche Anbieter hinzukommen. Besonders ausgeprägt ist der private Anteil bereits in Spanien (78 %), Niederlande (54 %), Frankreich (43 %) und Deutschland (31 %). Dabei unterteilt sich das Angebot in Betreiberimmobilien und Immobilien, die ohne einen Betreiber bewirtschaftet werden. Zu den größten Betreibern in Deutschland zählen Corestate (Youniq), GSA (Uninest), International Campus (THE FIZZ), FDS (SMARTments student) sowie Campus Viva. In Deutschland ist der Markt stark fragmentiert, wohingegen in Großbritannien die größten Betreiber über mehr als die Hälfte des Gesamtbestandes verfügen. Europaweit sind bekannte Entwickler sowie Betreiber XIOR Student Housing (Basecamp), Unite Group und Upp Group Ltd.

 

Investmentmarkt Studentenwohnen: Steigende Investmentvolumina mit attraktiver Rendite

Investments in Studentenwohnen sind nicht nur aus Nachfragegesichtspunkten, sondern auch aus Renditegesichtspunkten besonders attraktiv, was sich für Investoren in einer Spitzenrendite von mindestens 4 % (Stand Q2 2023) widerspiegelt (siehe Abbildung 4). Nicht ohne Grund, handelt es sich bei dieser Anlageklasse um die zweit rentabelste Nutzungsklasse im Wohnbereich nach Seniorenimmobilien. Der Investmentmarkt weist bereits eine gute Transaktionsaktivität auf und lag im Durchschnitt im Zeitraum von 2018 bis 2022 in Spanien, Frankreich und Deutschland bei einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag pro Jahr (siehe Abbildung 5). Weltweit ist das Investitionsvolumen in Studentenwohnungen zwischen 2014 und 2019 um 135 % gestiegen. Krisen wie die Pandemie hat die Wohnform überstanden und gemeistert. Der Trend zum mobilen Arbeiten/Home-Office wie in der Arbeitswelt, wird sich bei Hochschulen in vergleichbarem Maße nicht durchsetzen. Derzeit ist nach der Pandemie wieder das dominierende Lehrformat die Präsenzveranstaltung, wie aus einer Studie des Hochschulforums Digitalisierung für Deutschland hervorgeht.

Der private Sektor wird von grenzüberschreitenden Investitionen (85 % in H1 2023), überwiegend von europäischen, US-amerikanischen und asiatischen Investoren dominiert. Die größten Akteure sind dabei Blackstone (global), VIGA, DIG Capital Partners (Europa), KKR, Greystar und Brookfield (USA). Das Verhältnis zwischen Einzel- und Portfoliodeals ist dabei in etwa ausgeglichen. Forward-Funding Deals sind seit 2019 am Abnehmen und machten 2022 etwa 8 % der Gesamtinvestitionen aus. Durch den wachsenden Wettbewerb kann von einer Zunahme an Fusionen und Übernahmen ausgegangen werden (Quelle: JLL).

Investmentopportunitäten für Studentenunterkünfte in Europa

Die Real I.S. verfügt über ein eigen kreiertes Research-basiertes Investmenttool zum Ranking zur Attraktivität von Städten. Dabei werden unterschiedlichste makro- und mikroökonomische Daten smart miteinander vereint um attraktive, zukunfts- und wettbewerbsfähige Standorte zu identifizieren und vorausschauend maßgeschneiderte Investmententscheidungen zu treffen. Ein Indikator, der darin einfließt, ist „höhere Bildungsabschlüsse“. Die unter diesem Aspekt attraktivsten Städte/Landkreise sind folgende: 

  • Frankreich: La Défense, Neuilly-Levallois, Boucle Sud, Péri-Défense, Première Couronne Sud/Est, Deuxième Couronne
  • Spanien: Bilbao
  • Irland: Dublin – Zentrum, 8

Ein weiterer Indikator dieses Investmenttools ist „positives Wachstum der jüngeren Bevölkerungsgruppe“. Wenn man beide genannten Indikatoren miteinander kombiniert, sind die interessantesten Städte/Stadtteile:

  • Niederlande: Amsterdam - Zentrum, Nord, West Axis, Schinkel; Utrecht - Leidsche Rijn
  • UK: London – Camden, Southwark; Glasgow City
  • Finnland: Helsinki – Pasila
  • Luxemburg: Zentrum, Belval

 

Fazit: Investitionen in Studentenwohnen lohnen sich

Durch die in etwa konstant bleibende Anzahl der jungen Bevölkerung (<30 Jahre) bis zur Jahrhundertwende, den anhaltenden Trend zum Studium, Wanderungsbewegungen junger Leute und die steigende Anzahl an internationalen Studierenden hat sich Studentenwohnen zu einer interessanten Investmentopportunität im Wohnbereich entwickelt. Der Bedarf an Unterkünften ist höher als je zuvor, da das weitere Wachstum an Studierenden mit einem noch heißer werdenden Mietwohnungsmarkt in Städten durch Urbanisierung und Singularisierung erwartet wird. Die Versorgungslücke von geeigneten Studentenunterkünften ist in den meisten europäischen Ländern groß. Öffentliche Anbieter sind durch ihr begrenztes Angebot und damit einhergehenden langen Wartezeiten nur begrenzt eine Konkurrenz zum privaten Sektor. In Ländern wie Spanien, Frankreich und Deutschland weist das Nischeninvestment bereits eine attraktive Investmentgröße im mittleren dreistelligen Millionenbereich pro Jahr auf und punktet derzeit länderübergreifend mit einer Mindestrendite von über 4 %. Zudem hat die Investmentform bereits Krisenresistenz durch die Pandemie bewiesen.

Besonders interessant für ein Investment in Studentenunterkünfte sind die Länder Irland und Niederlande welche sowohl aus demografischer als auch studentischer Nachfragesicht in den nächsten Jahren profitieren werden. Besonders attraktive Städte sind unter anderem durch die Auswertung des Research-basierten Investmenttools der Reals I.S.: Dublin, Paris, Amsterdam und London.

Viele Grüße, Ihr Real I.S. Research-Team

Ihre Ansprechpartner

Marco Kramer
Real I.S. AG
Research & Investitionsstrategie

marco.kramer(at)realisag.de

Michael Ettenhuber
BayernLB / Real I.S. AG
Trainee Research und Investitionsstrategie

michael.ettenhuber(at)bayernlb.de