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Januar 2024

Was kann die Nummer 2 besser als die größte Stadt?

Überholspur oder ewiger Zweiter?

Die nach Einwohnern größte Stadt eines Landes, nachfolgend Erststadt genannt, und die zweitgrößte Stadt (Zweitstadt)¹ weisen oft markante Unterschiede in ihrer Entwicklung auf, die auf Indikatoren wie Qualität der Infrastruktur, wirtschaftliche Dynamik oder Lagekriterien zurückzuführen sind. In Krisenzeiten werden auf der Suche nach Sicherheit vor allem hochwertige Immobilien in den Zentrumslagen der Top-Städte nachgefragt (Flucht in Qualität). Jedoch lohnt auch ein Blick auf die Zweitstädte, die im Miet- und Investmentmarkt interessante Potentiale bieten können. Im Folgenden werden für verschiedene Marktindikatoren Erst- und Zweitstädte in den Ländern Deutschland (Berlin vs. Hamburg), Frankreich (Paris vs. Lyon), den Niederlanden (Amsterdam vs. Rotterdam), Spanien (Madrid vs. Barcelona) und Irland (Dublin vs. Cork) gegenübergestellt, um standortspezifische Potentiale der jeweiligen Büromärkte aufzuzeigen.

 

Die Zweitstädte im Überblick: Hamburg, Lyon, Rotterdam, Barcelona und Cork

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Zweitstädte standortseitig immer attraktiver werden. Die Zeitschrift „France Attractive“ bspw. kürte Lyon zur beliebtesten Stadt in Frankreich, die sich durch einen dynamischen Arbeitsmarkt mit Zukunftsbranchen wie Chemie, Biotechnologie und Medizin sowie einem großen, qualifizierten Arbeitskräftepotential auszeichnet.

Auch Irlands Zweitstadt Cork verzeichnet sowohl wirtschaftliches als auch demographisches Wachstum. Mit global führenden Unternehmen wie Apple oder Pfizer hat sich die Stadt in den letzten Jahren zu einem Wirtschaftszentrum mit Branchenclustern in globalen Wachstumssektoren wie Pharma, Life Sciences, IKT, Energie und Schifffahrt entwickelt, die großes Zukunftspotential bieten. Zurückzuführen ist dieses Potential auf Standortfaktoren, wie renommierte Universitäten und Forschungszentren, aber auch auf Standortlage und Lebensqualität. Cork verfügt über Tier-1-Konnektivität sowie eine gute Verkehrsinfrastruktur und einen Hafen von nationaler Bedeutung. Ein gesundes Klima, niedrige Pendelzeiten, die für die Vermietbarkeit von Büroflächen eine zunehmende Rolle spielen, um eine attraktive Alternative zum Homeoffice zu bieten, und eine geringe Umweltverschmutzung bilden weitere attraktive Standortfaktoren.

Hamburg, als wichtigster Hafen Deutschlands, bietet einen bedeutenden Handelsplatz und eine starke maritime Industrie. Rotterdam, als einer der größten Seehäfen der Welt, ist ein logistisches Drehkreuz von globaler Bedeutung und punktet wirtschaftlich als günstiger Wohnstandort und attraktive Touristendestination mit großem Hotelangebot. Barcelona wiederum beeindruckt mit seiner mediterranen Lebensweise und ist ein aufstrebender Technologie- und Kreativstandort. Diese Zweitstädte stehen also keineswegs im Schatten ihrer größeren Pendants, sondern bieten ebenso attraktive Standortbedingungen für Arbeitskräfte und Unternehmen.

 

Stadtkennzahlen im Vergleich

Tabelle 1 zeigt eine Übersicht wirtschaftlicher und marktspezifischer Daten wie die Einwohneranzahl, die Arbeitslosenquoten und die Größe der Büromärkte für die 10 betrachteten Städte.

Während Berlin in dieser Betrachtung mit 3.760.000 Einwohnern die größte Stadt darstellt, verfügen die Städte Paris, Hamburg und Lyon aber im Verhältnis zu ihrer Einwohnerzahl über den größten Büromarkt (Paris: 18.678.000 m², Hamburg: 13.924.000 m² und Lyon: 5.774.000 m²).

Die mit Abstand niedrigsten Arbeitslosenquoten finden sich in den Niederlanden mit einer Quote von 4,8 % in Amsterdam und 4,7 % in Rotterdam. Auffallend ist, dass die Arbeitslosenquoten in den Zweitstädten immer kleiner sind als in der jeweiligen Erststadt.

 

Trendwende bei den Leerstandsraten

Während sich die durchschnittlichen Leerstandsraten der untersuchten Erst- und Zweitstädte bis 2021 zunächst analog entwickelten, sank die Leerstandsrate der Zweitstädte 2022 auf das Niveau der Erststädte ab. Seit 2022 befinden sich die Leerstandsraten der Erststädte nun oberhalb der der zweitgrößten Städte. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren hohe Bürofertigstellungen in den Erststädten ab 2019/2020 zusammen mit einer gesunkenen Flächennachfrage aufgrund von Homeoffice, was zu einer gedämpften Marktaktivität führte. Demgegenüber zeigten die Zweitstädte in den letzten Jahren ein moderates Maß an Fertigstellungen und verzeichneten durch niedrigere Mieten zugleich eine zunehmende Flächennachfrage, was einen weiteren Leerstandsanstieg abmilderte. Für die Erststädte (Berlin, Paris, Amsterdam, Madrid und Dublin) lag die durchschnittliche Leerstandsrate für Büroimmobilien Ende 2023 bei 9,3 %, für die Zweitstädte (Hamburg, Lyon, Rotterdam, Barcelona und Cork) bei 8,8 % (siehe Abbildung 1).

Bei den Leerstandsraten der jeweiligen Städte im Vergleich 2015 versus Q3 2023 zeigt sich folgendes Bild: 

Die deutschen Städte Berlin und Hamburg glänzen sowohl im Jahr 2015 als auch in Q3 2023 mit der niedrigsten Leerstandsquote (~ 5,0 %); Lyon weist ebenso eine moderate Leerstandsrate von 7,0 % bzw. 6,7 % auf. Amsterdam und Rotterdam konnten ihre Leerstandsraten halbieren.

 

Mietentwicklung zeigt simultane Entwicklung

Die Spitzenmieten für Büroimmobilien sind zwischen 2015 und 2023 in beiden Städtekategorien deutlich gestiegen und lagen zum dritten Quartal 2023 im Durchschnitt bei 51,10 EUR/m² (Erststädte) bzw. 26,10 EUR/m² (Zweitstädte) – siehe Abbildung 3.

Die wachsende Attraktivität der Zweitstädte und deren bislang moderate Mietpreise bieten noch Potential für Mietsteigerungen. Dies sollte sich in den kommenden Jahren positiv auf die

Hohe Renditen spiegeln sich in den Investitionsvolumina wider

Im Investmentmarkt unterscheiden sich die Anfangsrenditen für Erst- versus Zweitstädte deutlich. Im Städtevergleich wird das Ranking von Cork angeführt. Büroimmobilien in Cork bieten mit einer Spitzenrendite von 6,8 % gegenüber einer 10-jährigen irischen Staatsanleihe von 2,4 % einen attraktiven Risikoaufschlag von 4,4 Prozentpunkten. Für Büroimmobilien in Dublin mit einer Spitzenrendite von 4,9 % ist der Spread mit nur 2,5 Prozentpunkten deutlich geringer. Generell zeigt die Betrachtung über Landesgrenzen hinweg ohne Ausnahme, dass die Renditen in den Zweitstädten stets höher sind: Die Spitzenrendite für Büroimmobilien in den Erststädten liegt im Mittel bei 4,5 %, während sie in den Zweitstädten mit 5,2 % 70 Basispunkte höher liegt (siehe Abbildung 4).

Eine interessante Entwicklung zeigt sich auch bei den Investmentvolumina für Büroimmobilien. Während in den Erststädten im Dreijahreszeitraum 2020 bis 2022 eine sinkende Investmentdynamik zu erkennen war, zeigte sich ab 2021 im Durchschnitt der Zweitstädte eine gegenteilige Entwicklung. Promotor für den immensen Anstieg der Investitionsvolumina in den Zweitstädten ist Rotterdam, wo sich das Investitionsvolumen beinahe vervierfachte. Ein wichtiger Faktor hierfür ist der Rotterdamer Hafen, welcher als größter Seehafen Europas und bedeutender Verkehrsknotenpunkt für den Güterverkehr zur Ansiedelung zahlreicher Unternehmen führte. In der Betrachtung ohne Rotterdam stiegen die Investitionsvolumina in den Zweitstädten trotzdem minimal an, während die der Erststädte (hier ohne die Stadt Amsterdam), wie in Abbildung 5 zu sehen, stark abnahmen.

Auch ein Blick auf die Spitzenkaufpreise unterstreicht die zuvor beschriebene Entwicklung. Während die Kaufpreise für Büroimmobilien in den Erststädten von 2015 bis 2021 um 81,1 % anstiegen (Zweitstädte: +77,1 %), fielen diese auch von 2021 bis 2023 etwas stärker als in den Zweitstädten (-25,0 % vs. -22,6 %). In Bezug auf die Jahre 2021 bis 2023 zeigt sich somit, dass sich die Kaufpreise beider Städteklassen annähern. Dieser Trend lässt sich an der ab 2021 fallenden Differenzlinie der durchschnittlichen Kaufpreise erkennen (siehe Abbildung 6).

Fazit: Zweitstädte bieten Opportunitäten

Aus Investorensicht bieten Büroimmobilien in den Zweitstädten aufgrund des Mietwachstums, der niedrigeren Leerstandsraten und des höheren Renditeniveaus vielversprechende Potenziale. Diese positiven Marktkennziffern werden durch weiche Faktoren wie eine hohe Lebensqualität zusätzlich gestützt. Insgesamt bieten Zweitstädte somit einen attraktiven Mix aus Rendite und Risiko, der eine sinnvolle Ergänzung zu den Märkten der Erststädte darstellt.

Cork überzeugt mit einer hohen Anfangsrendite von 6,8 %, Hamburg glänzt mit einer niedrigen Leerstandsrate von nur 4,2 % und Rotterdam konnte in den Jahren von 2020 bis 2022 die Investitionsvolumina für Büroimmobilien beinahe vervierfachen. Lyon gilt laut der Zeitschrift „France Attractive“ als beliebteste Stadt in Frankreich, die sich durch einen dynamischen Arbeitsmarkt mit Zukunftsbranchen auszeichnet. Barcelona gilt als aufstrebender Technologie- und Kreativstandort.

Man könnte sagen, die „Nummer-2-Städte“ der betrachteten fünf Länder stehen aus Marktattraktivitätssicht teilweise an erster Stelle.

Viele Grüße, Ihr Real I.S. Research-Team

 

 

¹Eine Einordnung der Städte anhand ihrer Bevölkerungszahl hat nur bedingt eine Aussagekraft hinsichtlich ihrer Bedeutung innerhalb der Städtehierarchie eines Landes (z.B. Dublin vs. Cork, Berlin vs. Hamburg)

Ihr Ansprechpartner

Ferdinand Prochaska
Real I.S. AG
Research & Investitionsstrategie

ferdinand.prochaska@realisag.de