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Stuttgart Bahnhof
Dezember 2022

„Schaffa, schaffa Häusle baua“ – Stuttgart modernisiert sich

Städteanalyse: Wo entstehen neue Potentiale durch
Stadt- und Infrastrukturentwicklung?

Mit der Gründung der Firmen Bosch und Daimler Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die schwäbische Metropole in den folgenden Jahrzehnten mit den Clustern Automotive und Produktionstechnik zur exportstärksten Region in Deutschland. Bis heute sind die industriellen Wurzeln an den Produktionsstätten und Industriebetrieben sichtbar, besonders in Bad Cannstatt, Feuerbach, Zuffenhausen oder Sindelfingen. Die Wirtschaftsstruktur der Region Stuttgart ist stärker als in anderen Städten vom Produzierenden Gewerbe und der Investitionsgüterindustrie geprägt. Mit der fortschreitenden Tertiärisierung entwickelt sich eine wachsende Dienstleistungswirtschaft um diesen industriellen Kern. Immer mehr Menschen, auch im Produzierenden Gewerbe, sind im Dienstleistungssektor tätig. Dieser Strukturwandel zeigt sich auch in der Stadtentwicklung und den Immobilienentwicklungen. Mit 610.000 Einwohner gehört Stuttgart im europäischen Vergleich zwar zu den kleineren Metropolen, in der Wertschöpfung pro Kopf belegt Stuttgart dagegen einen der vordersten Plätze (siehe folgende Tabelle). 

Die schwäbische Metropole auf dem Weg zum High-Tech- und Dienstleistungsstandort

Der Stuttgarter Büromarkt ist mit knapp 7,8 Mio. m² nach Düsseldorf der kleinste unter den Top 7- Standorten in Deutschland. Die im Vergleich niedrigste Leerstandsrate (siehe Tabelle Marktkennziffern), der hohe Eigennutzeranteil und die vergleichsweise preiswerten Büromieten verdeutlichen die Robustheit des Stuttgarter Büromarktes. Heute ist für ein modernes Gebäude aus Nutzersicht das infrastrukturelle Umfeld, eine möglichst staufreie Anbindung an das überregionale Straßennetz und an den öffentlichen Nahverkehr entscheidend für dessen Attraktivität. Ein modernes Gebäude kann somit auch in einem Gewerbegebiet stehen und nur wenig Nachteile im Vergleich zur Innenstadt aufweisen.

In und um Stuttgart haben sich mehrere Gewerbegebiete und Bürozentren etabliert. Hierzu zählt das größte Gewerbegebiet – der Synergiepark – in den Stadtbezirken Vaihingen und Möhringen, der Fasanenhof Ost sowie Leinfelden-Echterdingen im südlichen Rand des Stadtgebiets. Nördlich des Stadtzentrums sind die Gewerbegebiete City Prag (am Pragsattel), Feuerbach-Ost und Weilimdorf zu nennen. Auch im weiteren Umfeld von Stuttgart bilden sich moderne Gewerbegebiete. Hier sticht das Entwicklungsareal Flugfeld in Böblingen besonders hervor.

Das seit Jahren bedeutendste und größte Stadtentwicklungs- und Verkehrsprojekt ist Stuttgart 21 – die Umgestaltung des Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof. Nördlich vom Hauptbahnhof, im sogenannten Europaviertel, entstand in den vergangenen Jahren ein neues Stadtquartier mit Wohnungen, Stadtbibliothek, Einkaufszentrum sowie mehreren Büro- und Hotelbauten. Die Bebauung des Europaviertels ist inzwischen weitgehend abgeschlossen. Im Zuge des Bauprojekts Stuttgart 21 werden die Gleisanlagen nördlich des Hauptbahnhofs zurückgebaut. Auf der freien Fläche entwickelt die Stadt einen neuen Stadtteil: Das Rosensteinquartier. Das Rosensteinquartier, der Synergiepark und der Stadtbezirk Feuerbach-Ost sind derzeit besonders interessante Potenzialräume (in nachfolgender Karte orange markiert). Diese werden im nächsten Abschnitt näher erläutert.

Top 3 Potentialräume

Rosensteinquartier

Das Rosensteinquartier erstreckt sich zwischen Hauptbahnhof, Nordbahnhofviertel, Rosensteinpark und Schlossgarten. Der Entwurf geht von vier neuen, eigenständigen Vierteln und einem bogenförmigen Park aus. Neben rd. 5.000 Wohnungen sollen Produktionsstätten, Büros, Schulen, Kindertagesstätten, Generationenhäuser und Sportareale gebaut werden. Die Vernetzung mit umliegenden Stadtbezirken soll mit modernsten Mobilitätskonzepten erfolgen. Mit der neuen S-Bahn-Station Mittnachtstraße, einem durchgängigen Radwegenetz und zentralen Quartiersgaragen für die PKWs der Anwohner sollen die Quartiere ohne Durchgangsverkehr weitestgehend autofrei bleiben.

Synergiepark (Stuttgart-Vaihingen, Möhringen)

Durch den Bau zahlreicher moderner Büro- und Verwaltungshäuser entwickelt sich das größte Gewerbegebiet Stuttgarts vom ehemaligen Industrie- und Gewerbeareal zum modernen Büro- und Dienstleistungsstandort. Letztes Jahr wurde der Mercedes-Benz Office Campus mit 166.000 m² fertiggestellt, aktuell im Bau sind der Z4-Züblin Campus (13.000 m²) im Westen und der Allianz Campus südlich des Bahnhofs Vaihingen mit
65.000 m² (Fertigstellung Ende 2025). Mit dem Bau des Horizont II Business Center (18.400 m²) und dem Bürocampus Vaihingen (30.000 m2) wurde begonnen. Weitere größere Entwicklungen sind in der Planung oder Ideenphase, z.B. das TWINX mit 30.000 m².

Feuerbach-Ost

Künftig soll die städtebauliche Aufwertung des ehemaligen Gleisbogens (Sieglestraße, Krailenshalderstraße, Borsigstraße) das Erscheinungsbild des öffentlichen Raums verbessern und die Transformation zum modernen Gewerbegebiet unterstützen. Am Pragsattel wird der Porsche Design Tower Mitte 2023 von Weitem als Landmark-Objekt sichtbar sein. Große Bauvorhaben wie die Neugestaltung des Stadtquartiers am Wiener Platz, das Pandion Officehome (15.000 m²), das Technologiezentrum Borsigstraße (16.500 m²), das Linc (Kruppstraße 2, 23.800 m²), sowie evtl. ab 2025 das „The New Leitz“ oder das K30 werden zur weiteren Aufwertung des Areals beitragen.

­­­Auch wenn die Stuttgarter Autobauer und Zulieferindustrie mit den Herausforderungen des Wandels zur Elektromobilität konfrontiert sind und die Region mit dem Mangel an Wohnraum umgehen muss, wird die Weiterentwicklung der genannten Potenzialräume, sowie zahlreiche kleinere und größere Immobilienprojekte und Stadtentwicklungen das Arbeiten und Leben in und um Stuttgart weiter verbessern. Die bedeutendsten infrastrukturellen Veränderungen, auch für die skizzierten Potenzialräume, werden im Rahmen des Projektes Stuttgart 21 umgesetzt.

Eines der größten Infrastrukturprojekte Europas: Stuttgart 21 und das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm

Durch die spezielle Topografie des Stuttgarter Talkessels und die zunehmend überlasteten Verkehrsknotenpunkte (A8, A81, A831, B27, B10) sind die Innenstadt, die überregionale Anfahrt in diese und die Zufahrten zu den peripheren Gewerbegebieten in den Stoßzeiten oft staubehaftet. Das steigende Verkehrsaufkommen soll außerdem auf umweltfreundliche Verkehrsmittel wie Schiene und Fahrrad umgelenkt werden. Der Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur kommt daher eine hohe Bedeutung zu.

Stuttgart 21 umfasst weit mehr als den Umbau des Hauptbahnhofes vom Kopf- zum Durchgangsbahnhof, es ist eines der größten Infrastrukturprojekte Europas. Auch wenn das Projekt von den Anfängen 1995 bis heute stark umstritten ist, werden schätzungsweise
rd. 10 Millionen Menschen im Südwesten Deutschlands allein im Fernverkehr davon profitieren. Insgesamt werden neu errichtet: 57 km Gleisstrecke, 16 Tunnel, 44 Brücken, ein Abstellbahnhof, eine S-Bahn-Station und der Bahnhof am Flughafen. Am südlichen Kopf des Hauptbahnhofs wurde der Fildertunnel angeschlossen. Er verbindet den Stuttgarter Talkessel mit der Filderhöhe (Länge 9,5 km, Höhendifferenz 153 m) und wird auch die überregionale Anbindung der südlichen Gewerbegebiete verbessern. An den nördlichen Bahnhofskopf wurde der Tunnel zum neu gestalteten Bahnhof Feuerbach und Bahnhof Bad Cannstatt angeschlossen. Der bestehende S- Bahntunnel wurde bis zur neuen S-Bahnstation Mittnachtstraße verlängert. Dieser neue Halt wird künftig das neue Rosensteinquartier optimal anbinden. Vom Flughafen wird eine Schnellbahnstrecke über Wendlingen bis nach Ulm errichtet, so dass sich künftig die Reisezeit Stuttgart-Hauptbahnhof – Ulm auf unter 30 Minuten verkürzt.

Fazit: Stuttgarts Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur geben den Immobilienmärkten Auftrieb

Nicht umsonst belegt die Stadt Stuttgart im Zukunftsatlas 2022 Platz 8 von 400 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland und zählt damit zu den Orten mit „Top Zukunftschancen“. So beschreibt das schwäbische Motto „Schaffa, schaffa, Häusle baua“ treffend den Drang der Stuttgarter zur fortwährenden Modernisierung und Weiterentwicklung der Stadt durch Baumaßnahmen und ist gerade heute brandaktuell. Mit der Inbetriebnahme des neuen Hauptbahnhofs voraussichtlich im Jahr 2025, werden sich die enormen Investitionen in Infrastruktur und Stadtentwicklung auch auf lange Sicht positiv auf die Immobilienmärkte auswirken und den Standort Stuttgart weiter stärken.

Viele Grüße, Ihr Real I.S. Research-Team

Ihr Ansprechpartner

Sven Scherbetitsch
Real I.S. AG
Research & Investitionsstrategie

sven.scherbetitsch@realisag.de