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Juli 2023

Immobilienmarktzyklus: Markterholung in 2024?

Zinsanstieg treibt Marktkorrektur

Die Preiskorrektur in den Immobilienmärkten setzt sich fort. Die Ursache hierfür liegt vor allem in der Entwicklung der Konsumentenpreise: Die Inflationsraten fallen nicht so schnell wie von vielen Marktteilnehmern erwartet wurde und entsprechend strafft die EZB weiterhin mit Leitzinserhöhungen ihre Geldpolitik. Im Ergebnis sind die Kapitalmarktzinsen im Euroraum weiter gestiegen und damit die Finanzierungskosten für Immobilienankäufe. Immobilien sind durch die höheren Fremdkapitalkosten weniger rentabel geworden. Gleichzeitig ist durch den Anstieg der Kapitalmarktzinsen die Rendite der Alternativanlage in eine risikolose Staatsanleihe gestiegen. Folglich sinkt die Attraktivität von Immobilieninvestments und damit auch die Nachfrage im Investmentmarkt. Die aktuelle Preiskorrektur wird sich daher wahrscheinlich noch fortsetzen. 

Preise – Welche Preise?

Zunächst ist es aber schwierig, die Preiskorrektur zu quantifizieren. Aktuelle Kaufangebote für Büroimmobilien in deutschen A-Städten liegen zwischen 10 und 20 % niedriger im Vergleich zum Vorjahr. Aber ist dies wirklich der Markt? Immobilien werden aktuell nur zum Verkauf angeboten, wenn der Verkäufer wirklich verkaufen muss. Dies kann zum Beispiel dadurch ausgelöst worden sein, dass eine Anschlussfinanzierung eines auslaufenden Darlehens angesichts des Zinsanstieges unrentabel geworden ist. Die meisten Marktteilnehmer nehmen in der aktuellen Marktphase bzgl. Immobilienverkäufen aber erstmal eine abwartende Haltung ein.

Durch die geringe Transaktionsaktivität im Investmentmarkt für Immobilien müssen auch Makler und Immobiliendatendienstleister den Preisrückgang zum Teil schätzen. Das Maklerhaus JLL sieht beispielweise für Büroimmobilien in den sieben deutschen Großstädten einen durchschnittlichen Preisrückgang (ermittelt aus Spitzenmieten und Spitzenrenditen in Q1 2023 versus Q1 2022) von 16 %. Dabei sind die Preise in Düsseldorf stabil geblieben (der Anstieg der Spitzenmieten hat den Rückgang der Vervielfältiger ausgeglichen), in Köln um 13 % und in Frankfurt am Main um 22 % gefallen. Hingegen sieht der unabhängige Immobiliendatenanbieter PMA den Preisrückgang in Köln bei 8,2 % und in Frankfurt am Main bei 27 %. Dies zeigt die Schwierigkeiten bei der Interpretation der Daten. 

Interessant ist auch die Entwicklung der Immobilienwerte im Bestand. Die Bestandswerte werden nicht unmittelbar aus der Entwicklung der Marktpreise abgeleitet. Vielmehr wird über ein Verkehrswertgutachten eines Gutachters ein nachhaltig fairer Wert ermittelt. Für Büroimmobilien in Deutschland betrug der Wertrückgang für Bestandsimmobilien im Datenuniversum des Finanzdienstleisters MSCI für das Jahr 2022 -0,6 %. Damit war der Wertrückgang im Bestand deutlich geringer als der Preisrückgang im Investmentmarkt (zu berücksichtigen ist dabei, dass im Text oben der Preisrückgang bis zum ersten Quartal 2023 dargestellt wurde und die MSCI-Daten für die Wertermittlung der Immobilienbestände nur bis Ende 2022 ausgewertet wurden). Da in den vergangenen Jahren der Anstieg der Immobilienpreise im Markt regelmäßig den Anstieg der Werte auf Gutachterbasis übertroffen hat, hat sich ein Bewertungspuffer aufgebaut, der jetzt schrittweise abgebaut wird. Sollte der Zinsanstieg jedoch länger anhalten, dürften auch die Verkehrswertänderungen im Bestand in den kommenden Jahren schrittweise größer werden.

Preiskorrektur bis zur fairen Risikoprämie

Wie lange wird sich der aktuelle Preisrückgang noch fortsetzen? Hierauf gibt es im Wesentlichen eine Antwort: Bis Immobilienrenditen wieder einen fairen Risikoaufschlag gegenüber den Renditen risikoloser Staatsanleihen bieten. Dies kann entweder durch einen Rückgang der Kapitalmarktzinsen erfolgen oder durch einen Anstieg der Immobilienrenditen, also durch weiter fallende Kaufpreise. Aktuell liegt die Rendite einer 10-jährigen deutschen Staatsanleihe bei ca. 2,3 %. Die Ankaufsrendite für Büroimmobilien liegt im Durchschnitt für die sieben deutschen Großstädte (A-Städte) bei 3,5 %. Damit liefert die Immobilie aktuell eine Risikoprämie von 120 Basispunkten (siehe Abbildung). Historisch betrachtet lag diese Prämie zwischen 300 Basispunkten (letzte 10 Jahre), 200 Basispunkten (letzte 20 Jahre) und 150 Basispunkten (letzte 30 Jahre). Je nachdem welcher historische Zeitraum für die Ermittlung einer fairen Risikoprämie angesetzt wird, kann damit das weitere Preisrückgangspotential ermittelt werden.

Bei dieser statischen Betrachtung wird aber das aktuelle makroökonomische Umfeld nicht ausreichend berücksichtigt. Deutschland ist aktuell in einer Hochinflationsphase. Da Immobilien, im Gegensatz zu Staatsanleihen, über die Anpassung der Vertragsmieten an die Entwicklung der Konsumentenpreise (Indexierung) einen Inflationsschutz bieten, müsste dies bei der Kalkulation der fairen Risikoprämie berücksichtigt werden. Dieser Effekt senkt die von den Marktteilnehmern geforderte Risikoprämie und führt damit zu einem geringeren zu erwartenden Kaufpreisrückgang.

Zudem könnte die von den Markteilnehmern geforderte Risikoprämie noch aus einem zweiten Grund geringer ausfallen, als die historischen Renditeabstände zeigen. Die Immobilienrendite zeigt nur die statische Renditeerwartung zum Ankaufszeitpunkt. In einem Umfeld steigender Marktmieten wäre aber im Verlauf der Halteperiode des Objekts mit höheren Objekt-Cash-Flows und folglich mit steigenden Objektrenditen zu rechnen. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Marktentwicklung im Jahr 2007. Damals stieg infolge des Zinserhöhungszyklus der EZB die Rendite für 10-jährige Bundesanleihen auf 4,25 %. Die durchschnittliche Bürorendite für die sieben Großstädte Deutschlands lag zu dieser Zeit bei 4,75 %. Trotz der geringen Risikoprämie von nur 50 Basispunkten fanden im Jahr 2007 hohe Transaktionsvolumen im Investmentmarkt für Immobilien statt und die Preise stiegen. Ursache war die Erwartung eines kräftigen Mietwachstums im Vermietungsmarkt und damit höheren Renditeerwartungen während der Objekthaltedauer.

Mietwachstumserwartungen über sinkendes Neuflächenangebot

Zwar kündigt sich aktuell kein kräftiger Wirtschaftsaufschwung an, der die Mietwachstumserwartungen im Vermietungsmarkt nach oben treiben könnte, aber ein anderer Faktor deutet auf ein sich mittelfristig aufhellendes Umfeld hin: Die Bauaktivität sinkt durch den Zinsanstieg. Während für 2023 für Büroimmobilien noch eine ordentliche Fertigstellungspipeline ansteht, ist für die Folgejahre mit einem kräftigen Rückgang zu rechnen. Das Fertigstellungsvolumen für die deutschen A-Städte (hier wurden sogenannte Nettoadditionen verwendet; dies ist die Differenz aus Bürofertigstellungen ohne Sanierungen und Gebäudeabrissen und Umnutzungen) wird, Prognosen vom Datenanbieter PMA zufolge, bis 2027 auf rund 670.000 m2 sinken und damit rund 40 % unter dem Niveau des aktuellen Jahres liegen. Sobald dann die Flächennachfrage über einen Konjunkturaufschwung ansteigen würde, würde diese auf ein deutlich geringeres Angebot treffen. Dies würde die Mietwachstumserwartungen im Markt beflügeln und, über eine Erholung der Investitionstätigkeit, den Preisrückgang im Investmentmarkt bremsen oder zum Stillstand bringen.

Fazit: Das Zeitfenster für Investitionen öffnet sich schrittweise

Eine genaue Vorhersage, wann diese Entwicklung eintreten wird, ist mit großer Unsicherheit behaftet. Für Deutschland wird laut Consensus Economics (Marktmeinung) im Jahr 2024 ein reales BIP-Wachstum von 1,1 % erwartet. Diese Entwicklung, in Verbindung mit der sinkenden Angebotspipeline, könnte zu höheren Mietwachstumserwartungen und damit mehr Nachfrage im Investmentmarkt und einer Stabilisierung der Immobilienpreise führen. Wahrscheinlich wird sich damit im Jahresverlauf 2024 ein guter Zeitraum für Investitionen ergeben. Dabei ist es für einen geplanten Wiedereinstieg in den Immobilienmarkt ohnehin nie ganz einfach, den optimalen Investitionszeitpunkt (Tiefpunkt im Markt) genau zu treffen, da sich eine Immobilientransaktion über mehrere Monate hinzieht und der Aufbau eines Portfolios in der Regel mehrere Jahre dauern kann. Insofern wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach ein attraktives Zeitfenster für Investitionen im Zeitraum 2024/2025 öffnen.

Viele Grüße, Ihr Real I.S. Research-Team

Ihr Ansprechpartner

Marco Kramer
Real I.S. AG
Research & Investitionsstrategie

marco.kramer@realisag.de